Patriarch Gregorius schildert die Lage in seiner syrischen Heimat aus einem besonderen Blickwinkel.

Renningen - Den „Krieg ohne Namen“ nennt Patriarch Gregorius III. das Wüten in seiner Heimat Syrien. Das Wüten, das schuld ist an der Flucht so vieler Menschen. Der Patriarch ist als Oberhaupt der römischen Ostkirche zuständig für fast 15 Millionen Christen im Nahen Osten.

 

Er lebt in Damaskus, mitten im Bürgerkrieg Syriens, und ist der Einladung des Renninger Pfarrers Franz Pitzal gefolgt, um über die dortige Lage zu diskutieren. Mit dabei sind Bürgermeister Wolfgang Faißt, die türkischstämmige CDU-Politikerin Birguel Akpinar und LKZ-Redaktionsleiter Thomas Slotwinski als Moderator.

Nicht nur auf Assad projizieren

Der Patriarch, der fließend Deutsch spricht, hatte schon vor einiger Zeit als regierungstreue Leitfigur auf sich aufmerksam gemacht, der die Flucht der Zivilbevölkerung aus dem Land nicht gutheißt. „Ich verstehe nicht, warum Europa alles Übel auf eine Person, auf Assad, projiziert“, erklärt er im Bürgerhaus. Und er stellt die Frage, was wäre, wenn es Assad nicht mehr gäbe? „Man kann das Schicksal eines Landes nicht nur mit einer Person verbinden, dahinter stehen 40 Jahre Entwicklung.“

Birguel Akpinar erstaunt die Haltung des Patriarchen gegenüber einem System, das seiner Kirche Freiheit in einer durch den Islam geprägten Region ermöglicht hat, nicht: „Loyalität gegenüber einem Staat, der religiöse Minderheiten schützt, ist verständlich“, weiß sie. Sie ist Expertin für Sicherheits- und Integrationsfragen im CDU-Landesvorstand und als Alevitin ebenfalls Angehörige einer Minderheit. Doch es ist schwer, bei den Kämpfen in dem gebeutelten Land den Überblick zu behalten: „28 Parteien kämpfen in Syrien, darunter viele Fremde, Söldner“, erzählt der Patriarch. Allerdings gäbe es sichere Regionen, und hierhin, so ist seine Überzeugung, sollten die Menschen gehen, anstatt ins Ausland zu fliehen. Doch UN-Schutzzonen, erfahren die Zuhörer, sind trotzdem nicht möglich, denn die Kriegsparteien können sich nicht einigen. Pfarrer Pitzal erzählt von unfertigen Häusern, die er bei seiner Reise nach Syrien gesehen hat und die darauf warten, fertig gebaut zu werden.

Doch wer soll das tun, wenn die Menschen flüchten? Und warum nicht einen Teil des Geldes, das für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt wird, dafür verwenden, die in Syrien ausharrenden Menschen zu unterstützen und so die Flüchtlingszahlen zu reduzieren?

Denn die Flüchtlinge haben mit vielen Unbillen zu kämpfen. Nicht jeder schafft es nach Europa, viele bleiben in der Türkei hängen. „Und wie dort mit den syrischen Flüchtlingen umgegangen wird, ist schlimm“, sagt Akpinar und erzählt von syrischen Mädchen, die den Eltern als Zweitfrauen abgekauft und wieder zurückgegeben werden, wenn dem türkischen Mann der Sinn danach steht. Sie erzählt von ganzen Familien, die auf der Straße leben.

Harte Probe für die Toleranz

Wenn die Flüchtlinge den Weg nach Europa schaffen, finden sie sich in einer völlig anderen Welt wieder, mit anderen Regeln und gesellschaftlichen Normen. Integration kann trotzdem gelingen, aber nicht binnen einiger Monate, sondern innerhalb von mehreren Generationen. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass mit den Menschen die ethnischen und religiösen Konflikte mitgekommen sind. Wir werden für ein friedliches Zusammenleben unsere Toleranz auf eine harte Probe stellen müssen“, ist Akpinar überzeugt.

„Wer unsere Grundregeln nicht beachten will“, die Betonung liegt klar auf dem Wollen, „der muss sich schon überlegen, was er hier zu suchen hat“, findet auch Bürgermeister Faißt. „Aber dabei darf die Menschlichkeit nicht kippen.“

Das ist die eigentliche Mission des Patriarchen: An die Menschlichkeit zu erinnern, die nicht verloren gehen darf. Nicht in schwierigen Zeiten, nicht im Krieg, nicht bei der Aufnahme Fremder.