Die Fraktion wirft den Machern des Verfahrens vor, Interessenskonflikte ausgeklammert zu haben.

Stuttgart - Die SPD-Fraktion im Bezirksbeirat Stuttgart-Nord übt massive Kritik an der „informellen Bürgerbeteiligung Rosenstein“. Ziel des von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) initiierten Verfahrens war es, die Bürgerinnen und Bürger vor allem im Stuttgarter Norden an der Diskussion über die Zukunft des neuen Stadtquartiers zu beteiligen, in Workshops und Vorträgen zur Meinungsbildung beizutragen und die Interessen der Bürger zu sammeln, um sie bei der künftigen Planung zu berücksichtigen. Zum Abschluss des einjährigen Projekts sollten in einem Memorandum mit empfehlendem Charakter die Aspekte zusammengefasst werden, die den Bürgern hinsichtlich des Zusammenlebens und der Entwicklung der 87 Hektar Entwicklungsfläche Rosenstein wichtig sind.

 

Das Memorandum liegt nun vor – und der Bezirksbeirat Nord ist entsetzt: sowohl über das Memorandum als auch über das gesamte Prozedere der „informellen Bürgerbeteiligung Rosenstein“. „Durch das Verfahren sollten die Gräben zwischen Stuttgart-21-Befürwortern und -Gegnern geschlossen werden. Das ist gründlich misslungen“, stellt Sebastian Sage fest. In dem rund 100 Seiten starken Memorandum seien zwar die Äußerungen und Einschätzungen der Experten festgehalten. Die Meinungen und Anregungen der Bürger seien hingegen gefiltert und einseitig auf sieben Seiten zusammengefasst. Außerdem sei das Verfahren entgegen der formulierten Absicht als andere als transparent. „Die Vertreter unter anderem von Bürgervereinen und Architektenkammer sind nicht über die Ergebnisse der Expertenrunden informiert worden“, sagt Sage und stellt außerdem fest, dass den Bürgern in den Veranstaltungen das Fachchinesisch nur so um die Ohren geflogen sei.

SPD: Interessenkonflikte sind nicht benannt worden

Außerdem beanstandet die SPD-Fraktion im Bezirksbeirat Nord, es sei nicht thematisiert worden, dass die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bürger gar nicht unter einen Hut gebracht werden können. „Die einen wollen mehr Autoverkehr, die anderen weniger. Die einen wollen die Öffnungszeiten der Außengastronomie verlängern, die anderen verkürzen. Egal, um welches Thema es geht, es gibt nie einen gemeinsamen Nenner“, sagt Sage und stellt fest, dass trotz all dieser unterschiedlichen Bedürfnisse im Memorandum der Eindruck erweckt werde, als gebe es keine Interessenskonflikte. Sage: „Großstädte sind nicht harmonisch, und dieser Tatsache muss man sich stellen. Doch das ist nicht einmal im Ansatz passiert.“ Außerdem seien die Veranstaltungen zur informellen Bürgerbeteiligung so blutleer gewesen, dass von anfänglich 80 Interessierten nur noch 15 übrig geblieben seien.

Die rund 250 000 Euro, die sich die Stadtverwaltung das Verfahren zur Bürgerbeteiligung hat kosten lassen, hält die SPD-Fraktion dann für rausgeworfen, wenn jetzt nicht doch die Arbeit aufgenommen und die methodischen Defizite beseitigt würden.

Detlef Kron, Leiter des städtische Amts für Stadtplanung und Stadterneuerung will sich mit dem Hinweis darauf, dass das Verfahren von OB Fritz Kuhn gesteuert wurde, nicht zu den Vorwürfen äußern – bis auf den Hinweis, dass sich die Experten seines Amts mit den eigenen Vorstellungen über die Gestaltung des neuen Quartiers innerhalb des Verfahrens zurückgehalten hätten, um der Meinung der Bürger einen größeren Spielraum zu geben. OB-Sprecher Andreas Scharf versichert, die Stadtverwaltung wolle Anfang kommenden Jahres im Bezirksbeirat Nord auf die Kritik der SPD im Bezirksbeirat eingehen.