Mit der achten Open Stage verabschiedete sich die Veranstaltungsreihe im Eumel in die Sommerpause. Ab September kann im Stuttgarter Westen aber weiter gejamt werden.

S-West - Bernd sitzt am Tresen des Eumel und nippt an seinem Bier. Langsam kommt der Puls wieder zur Ruhe. Gerade hat der 42-Jährige mit seiner Mundharmonika im Rampenlicht gestanden und gemeinsam mit dem Duo Bright Strings einen Blues intoniert. „Vor zehn Jahren habe ich noch mit einer Band Musik gemacht“, verrät der Stuttgarter. Jetzt will er sich wieder ein bisschen ausprobieren.

 

Quatschen stört beim Hören kaum

Die Open Stage, die an jedem ersten Freitag des Monats in der Bar an der Kornbergstraße stattfindet, ist dafür genau das Richtige. Der Rahmen ist intim, die Musiker treten nicht auf einer Bühne an, sondern ebenerdig und die Gäste sind höfliche Menschen. Die Gesprächslautstärke geht zurück, sobald ein Stück beginnt, obwohl insgesamt gemütliche Kneipenatmosphäre herrscht. „Wir sind schon extra wegen der Musik hergekommen“, gibt Lorenz (30) Auskunft. Das hält den Ingenieur allerdings nicht davon ab, genüsslich an seinem Cocktail zu schlürfen und sich nebenbei angeregt mit seinen Tischgenossinnen zu unterhalten. „Ich finde das Konzept sehr gelungen“, urteilt der Jazzfan. „So etwas sollte es häufiger geben. Wobei natürlich garantiert sein muss, dass genügend Leute kommen, die auftreten wollen.“

Seit vor acht Monaten die erste Open Stage stattfand, hat es im Eumel nie an Musikern gemangelt. Drei bis zehn seien es jedes Mal gewesen, blickt Inhaber Ingo Kessler zurück. Entsprechend soll es nach der Sommerpause Anfang September auf jeden Fall weitergehen. „Wir können sogar schon auf eine Band verweisen, die sich hier gegründet hat“, freut sich der im Stuttgarter Westen aufgewachsene gelernte Gartenbauer. „Die drei Herren von der Country-Combo Blue Cotton Club haben sich hier bei der offenen Bühne kennengelernt.“

Wer das Publikum wann und wie lange beschallen darf, regeln die Musiker untereinander. Kessler hält sich zurück. Es gibt keine Anmoderation und keine vorgegebene Struktur. Das funktioniert hervorragend. Nicht nur Bernd stößt zwischenzeitlich zu den beiden Mitgliedern von Bright Strings, die den Hauptteil des Abends bestreiten. Auch Danny ist sich schnell mit ihnen einig, was man gemeinsam darbieten könnte. Kein Wunder – man kennt sich schon von einer früheren Veranstaltung im Eumel her.

Der Mann aus Leeds ist hier daheim

Danny stammt aus Leeds und hat soeben ein Praktikum bei Bosch absolviert. Der 21-Jährige studiert Management und Deutsch. In vier Wochen geht es zurück nach England. Die Open Stage war für ihn eine von vielen erfreulichen Entdeckungen in Stuttgart. „Ich bin heute Abend zum vierten Mal hier“, schwärmt er. „Es ist ein toller Weg, Leute kennenzulernen, mit denen man sich auch anderswo treffen kann, um zusammen zu spielen.“ Die Bar-Umgebung kommt dem hochgeschossenen jungen Mann, der seit zehn Jahren Gitarre spielt, ganz besonders entgegen. „Meine Eltern betreiben eine Kneipe“ erzählt er. „Ich fühle mich hier praktisch zuhause.“ Zwischen den bluesigen Instrumentalstücken, die er gemeinsam mit den Bright Strings jamt streut der Brite wie selbstverständlich ein wenig spanische Klassik ein und entpuppt sich als Könner ohne Allüren.

Die Bright Strings Elina (27) und Gitarrist Carlos (36) absolvieren an diesem Abend ihren dritten gemeinsamen Auftritt. „Wir sind auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, live zu spielen“, lässt die Geigerin wissen. „Wer uns engagieren will, kann sich einfach an das Eumel wenden.“ Das zeigt: Ingo Kessler wird nicht nur als anonymer Mann im Hintergrund wahrgenommen, sondern als interessierter Gastgeber, der sich um die Musiker kümmert. Darin liegt wohl auch der Grund, warum er für reguläre Gastspiele schon Größen wie Tony Lakatos oder das Gismo Graf Trio verpflichten konnte. Bei den meisten Live-Terminen ist der Eintritt übrigens frei. „Der Schwabe an sich bezahlt nicht gern“, weiß der Gastronom. „Wir stellen da lieber unser Spendensaxofon auf und jeder kann nach seinen Möglichkeiten geben, nachdem er gehört hat, was ihm geboten wird.“

Der Konzertkalender ist gut gefüllt

Bis März ist der Konzertkalender bereits gefüllt. Ärger mit Anwohnern blieb bislang aus, obwohl das Eumel mitten im Wohngebiet liegt. „Eine Metalband kann hier natürlich nicht spielen“, so Kessler. Die Darbietung darf die Grenze von 85 Dezibel nicht überschreiten. Das gilt auch bei der Open Stage. Am Freitag liegt die Lautstärke deutlich unterhalb der Marke. Da muss man nicht einmal die Tür schließen. Das ist ganz im Sinne des Hausherrn, der seinen Laden als öffentliches Wohnzimmer im Bezirk versteht. Musiker und Gäste fühlen sich hier gleichermaßen wohl.