Das Kunstwerk in Eberdingen-Nussdorf zeigt den Maler Sean Scully gemeinsam mit seiner Frau Liliane Tomasko. Deren Bilder bleiben aber hinter der erfahrenen Sinnlichkeit ihres Mannes zurück.

Eberdingen-Nussdorf - Das Auge hat schwer zu tragen an diesen Bildern. Ihre Dimensionen sind riesig, ihre Farben matt, ihre Formen grob. Schon der breite Pinselstrich, der die Rechteckgefüge mehr hingehauen als gemalt erscheinen lässt, macht deutlich: Sean Scully ist kein gewöhnlicher Konstruktivist, nicht mehr. Auf Klebebandstreifen, Lineal und andere Hilfsmittel der präzisierten Schönheit verzichtet der urwüchsige Minimalist gerne. Seine Abstraktion lässt auch die Unebenheiten der Realität gelten.

 

Ganz oben, auf der letzten Ebene des Museums Kunstwerk in Eberdingen-Nussdorf enthüllt eine Fotografie von Scully das Geheimnis seiner malerischen Inspiration. Die Aufnahme entstand in seiner Heimat Irland und zeigt die Natursteinmauer eines verfallenen Hauses. Durch die offenen Ritzen zwischen den Steinen pfeift der Atlantikwind. Und auch auf Scullys Gemälden bleiben, wenn er Farbfeld auf Farbfeld stapelt, Lücken zwischen den Bildbausteinen. Die bunten oder schwarzgrauen Rechteckflächen verwandeln sich in wuchtige Quader, deren Eigengewicht dem Ganzen Stabilität verleiht. Als wollte das gesamte Gemälde die Uhr der Moderne zurückdrehen und zur Sockelzone eines Tempels von pharaonischen Ausmaßen werden.

Den Gründern des Kunstwerks, Peter W. und Alison Klein, gehört seit Jahren ein stattliches Konvolut von Arbeiten des hoch gehandelten Malerstars, doch die sind aktuell gar nicht vor Ort zu sehen. Sie reisen ins Stuttgarter Kunstmuseum, wo die Kleins ab 14. Juli mit ihrer Sammlung gastieren. Für die Ausstellung im eigenen Haus haben sie selten gezeigte Leihgaben aus Scullys Privatbesitz erhalten, darunter auch strenger gerasterte Frühwerke wie das von der Op Art beeinflusste „Diagonal Inset“ (1973) mit seinen dreidimensionalen Illusionen.

Konzeptuell wesensverwandt

Insgesamt ist es eine bestechende Auswahl aus achtzehn monumentalen Arbeiten des 72-Jährigen, die man in Nussdorf dem Schaffen von Scullys Frau Liliane Tomasko gegenüberstellt – wobei die Mitpräsentation der weniger bekannten Malerin keine reine Höflichkeitsgeste ist. Konzeptuell sind die beiden tatsächlich wesensverwandt, denn auch die Kunst der gebürtigen Schweizerin Tomasko (Jahrgang 1967) nimmt bei unscheinbaren Phänomenen des Alltags ihren Ausgang. So bildete die Zufallskonstellation zerknüllter Bettwäsche die Vorlage für informelle Bildräume aus breiten Farbkurven und immateriellen bunten Schleiern. Bezwingender freilich ist die Künstlerin, wenn sie mit dämmerdunklen Fensterecken leicht unheimliche Interieurs andeutet wie in „Dark Lex“ von 2007.

Durch die direkte Werkkonfrontation erschließt die Nussdorfer Hängung auch Einflusswege in der Lebens- und Arbeitsbeziehung der beiden, die sich seit den Neunzigern kennen. Nicht von ungefähr erinnern die aus Stapeln von Heimtextilien hervorgegangenen Grafiken der Serie „Floating Stack“ an Gesteinsschichten. Umgekehrt scheint durch Tomasko auch in Scullys Oeuvre wieder mehr Farbe gekommen zu sein. Das klare Rot in „Mooseurach“ von 2016 ist ein für seine Verhältnisse fast leuchtender Ton. Ansonsten ist Scully ein eher rustikaler Kolorist. Sein Schwarz erinnert an verkohltes Holz, sein Braun an Lehmerde.

Es riecht nach Moos und Acker

Obschon Tomasko mit mehr Arbeiten vertreten ist, sind es am Ende doch Scullys Bilder, von denen man die stärkeren Eindrücke mit nach Hause nimmt. Besonders, weil sich in seinen schroffen Geometrien mehr unmittelbar erfahrene Sinnlichkeit mitteilt. Es riecht nach Moos und nach Acker, nach Nebel und nach Meer. Dank der gläsern-offenen Ausstellungsarchitektur im Kunstwerk entfaltet sich beim Blick nach draußen auch ein Dialog von Scullys Gemälden mit der ländlichen Nussdorfer Umgebung. Bilder wie „Figure in Orange“, bei denen ein Fenster mit waagerechten Streifen den vertikalen Rechteckverbund unterbricht, werden als reduzierte Landschaftsausblicke lesbar. Am Querstrich des Horizonts kommen nur wenige Farbfeldmaler vorbei.

Bis 22.Dezember, Siemensstraße 40, Mi-Fr, So 11-17 Uhr.