300 Bußgeldverfahren leitet das Stuttgarter Ordnungsamt jedes Jahr gegen vorzeitig urlaubende Schüler beziehungsweise deren Eltern ein. Eine Schulleiterin begrüßt, dass die Polizei am Flughafen auch auf schulpflichtige Kinder achtet.

Stuttgart - Gerade in diesen Tagen, kurz vor den Sommerferien, nehmen es manche Familien mit der Schulpflicht nicht mehr so genau und fliegen mit ihren schulpflichtigen Kindern ein paar Tage früher in den Urlaub. Doch ohne schriftliche Genehmigung der Schulleitung kann das teuer kommen. Pro Fehltag eines Schülers werden in Stuttgart 150 Euro Strafe für jeden Erziehungsberechtigten fällig, wenn das Ordnungsamt dahinterkommt – das heißt, wenn Schule oder Polizei dies beim Amt anzeigen. Bei 1000 Euro sei allerdings Schluss. 300 Verfahren gegen Ferienverlängerer eröffnet das Stuttgarter Ordnungsamt jedes Jahr. 100 000 Euro Einnahmen hat dies der Landeshauptstadt in den Jahren 2011 bis 2016 beschert. Insgesamt liegt die Zahl der Schulschwänzer in Stuttgart allerdings deutlich höher. Im vergangenen Jahr waren es laut Ordnungsamt 715 Fälle.

 

Barbara Koterbicki, die geschäftsführende Schulleiterin der Sekundarstufe eins an Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen und Leiterin der Schlossrealschule, stellt in puncto Ferienverlängerer hingegen eine deutlich verbesserte Moral fest: Seit zwei oder drei Jahren sei die Polizei verstärkt am Flughafen, habe einen Blick darauf, ob schulpflichtige Kinder unter den Reisenden seien, und kontrolliere, ob die Familien von der Schulleitung eine schriftliche Genehmigung für die vorzeitige Beurlaubung vorlegen könnten. „Das spricht sich bei den Eltern rum.“ Seither habe sie den Eindruck, dass diese ehrlicher damit umgingen. „Da wird nicht mehr mit den Kindern fünf Tage vor den Ferien ein Flug gebucht“, sagt Koterbicki.

Bundespolizei: Wir machen keine gezielte Jagd auf Schulschwänzer

Steffen Zaiser, der Sprecher der Bundespolizeidirektion, erklärt hierzu: „Wir machen keine gezielte Jagd auf Schulschwänzer.“ Aber selbstverständlich schaue man bei Kontrollen von Auslandsreisenden während der Schulzeit auch, ob schulpflichtige Jugendliche darunter seien. „Wir fertigen einen Bericht an und leiten ihn ans Ordnungsamt weiter.“ Zahlenmäßig erfasse man diese Fälle jedoch nicht, so Zaiser.

An den Stuttgarter Gymnasien scheint Ferienverlängerung kein Thema zu sein, wie deren geschäftsführende Schulleiterin Barbara Graf erklärt. An ihrer Schule, dem Hegel-Gymnasium in Vaihingen, gebe es lediglich „eine kleine Handvoll Anträge auf vorherige Beurlaubung“. Und: „Wenn es sehr gut begründet ist, werden die einmal im Schulleben genehmigt.“ Als Beispiel nennt Graf einen Sprachkurs im englischsprachigen Ausland. Das werde dann aber dokumentiert. So handhabt es auch ihre Kollegin Koterbicki. Ja, es gebe Beurlaubungen. „Wir dulden das aber nur einmal.“ Thomas Benner, der Leiter der Bußgeldstelle im Amt für öffentliche Ordnung, berichtet, oft gehe es den Ferienverlängerern darum, günstigere Flüge zu bekommen. Häufig seien es Migrantenfamilien, die heimfahren.

Die klassischen Schulschwänzer, die unter dem Jahr unentschuldigt fehlen, kämen vor allem aus Brennpunktschulen, so Benner. Er habe festgestellt: „Brennpunktschulen sind strenger.“ Die zeigten unentschuldigtes Fehlen im Unterricht quasi von der ersten Minute an.

An der Rosensteinschule werden Fehlzeiten streng kontrolliert – und angezeigt

An der Rosensteinschule im Stuttgarter Norden, einer Grund- und Werkrealschule, verwendet Schulleiterin Ingrid Macher ein Formblatt des Ordnungsamts. Darin müssten die Lehrer die Anzahl der Fehlzeiten eintragen – in Minuten und Stunden –, ob sie die Eltern des Schwänzers erreicht hätten oder nicht und gegebenenfalls eine Begründung der Eltern. „Ich kontrolliere alle vier bis fünf Wochen die Tagebücher“, sagt Macher. Wenn beim Elternkontakt „nein“ angekreuzt sei, „dann geht’s ans Ordnungsamt – und da wird es richtig teuer“.

Natürlich informiere die Schule auch die Eltern und suche mit ihnen das Gespräch, so Macher. „Es gibt Schüler, die sich verweigern.“ Ihre eigene Erfahrung sei: „Migrantenfamilien fehlt manchmal die Einsicht in hiesige Regeln.“ Benner ergänzt: „Viele Eltern sagen, mir wäre es recht, wenn sich die Strafe gegen das Kind richtet – weil sie selber keine Handhabe haben.“ Es gebe auch die Möglichkeit, dass Schüler Sozialstunden leisten.

Hermann Karpf, Mitarbeiter von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU), geht allerdings von einem großen Dunkelfeld aus. Nicht jedes Schulschwänzen werde überhaupt bemerkt oder angezeigt. „Wenn der 14-Jährige die Schule schwänzt aus Angst vor einer Klassenarbeit, ist das anders zu bewerten als eine geplante Ferienverlängerung.“