Beim Schwimmverein fühlt sich eine Sport-Gruppe von Menschen mit Behinderung pudelwohl: ein Trainingsbesuch.

Bad Cannstatt - Seit dem Jahr 2002 gibt es die Behindertengruppe als eigene Abteilung des Schwimmvereins Cannstatt. Derzeit besteht sie aus 29 Aktiven, von denen die Hälfte regelmäßig an Wettkämpfen teilnimmt. „Wir haben in letzter Zeit einen kleinen Sprung gemacht“, sagt Michael Killinger. Durch eine Krebserkrankung hatte er den rechten Unterarm verloren, die Gruppe aber bis vor kurzem trainiert. Also weiß er aus Erfahrung, „dass von Nichts nichts kommt“. Das gelte auch für Behinderte. Wie nebenbei erklärt er dann im Gespräch: „Als Mannschaft sind wir die erfolgreichste von Baden-Württemberg.“

 

Die erfolgreichste Schwimmerin von allen ist Christina Ziegler. Als Weltmeisterin über 50 Meter Brust und als Teilnehmerin der Paralympics von Athen ist die 31-Jährige der Star der Truppe. Zuletzt hat die Wirtschaftsinformatikerin, die nur Armstümpfe und ein verkürztes Bein hat, weniger trainert – wegen ihres Jobs bei der Allianz. Vor allem aber ist „Chrissi“ eine Persönlichkeit, deren Strahlkraft mit Händen zu greifen ist – und die pure Willenskraft im Becken! Im Gespräch davor aber betont sie etwas anderes: „Der Sport beugt der Isolation vor. Hier findet man Anschluss, egal mit welcher Form von Behinderung. Wir sind eine tolle Gruppe, auch privat.“

Das ist in der Halle sofort zu spüren, wo sich jetzt gut 20 Sportler strecken, dehnen, aufwärmen. Wie bei einem ganz normalen Traininsbeginn. Mädchen und Buben, Männer und Frauen – zwischen zehn und 40 Jahre alt. Dem 15-jährigen Jan fehlt ein Unterschenkel; er hat aber „schon einige Medaillen an der Wand“. Und er ist ehrgeizig; er will in drei Jahren zu den Paralympics in Seoul. Als er nach einem kolossalen Sprint anschlägt, könnte er außer Atem sein: „Nur minimal“, sagt er. Eine Spur lockerer nimmt es Tamara Röske, die demnächst wieder in einer kleinen Rolle in der Film-Komödie „Fuck you Göthe 3“ zu sehen ist: „Ich habe auch noch andere Talente“, sagt sie schmunzelnd. Und Roman, 24, der im ersten Jahr fast nichts geredet hatte, plaudert jetzt ohne Ende: „Ich mag Sport. Und ich bin fleißig.“

Am 2. Juli findet ein Schnuppertag statt

Die Mutter der zehnjährigen Berenike erzählt, was ihrer Tochter der Schwimmsport bedeutet: „Ich wollte nur, dass sie schwimmen kann. Aber erst hier wurden wir akzeptiert. Hier haben wir unseren Platz gefunden. Berenike bleibt dran und gibt alles. Sie sieht, dass sie etwas schaffen kann, wird gefordert und hat Spaß. Das gibt ihr soviel.“

Karla ist seit anderthalb Jahren dabei, hat aber schon viele Medaillen, wie ihre Mutter berichtet. „Das gibt ihr Selbstvertrauen. Hier wird jeder nach seinen Möglichkeiten gefördert. Ich bin glücklich, dass meine Tochter die Chance bekommen hat.“

Zwei Stunden dauert das Training: „Nicht locker schwimmen, das erlaube ich heute nicht. Heute wird geschwitzt. Danach dürft ihr 200 Meter ausschwimmen.“ Als die Trainerin Leila Wörner noch einmal anspornt, geht es schon aufs Ende zu. „Ich hasse Brust“, mault die 34-jährige Mandy. Doch dann fräst sie durchs Wasser, als wolle sie einen Graben ziehen. „Wir haben heute eine hohe Intensität. Chrissie und Jan gehen zu den Deutschen Meisterschaften nach Berlin; das ist jetzt der letzte Rücken. Dann wird es locker.“ Dass Nadine eine Pause braucht, kein Problem. Exakt nach dem Trainingsplan mit 13 Punkten misst die Gesamtstrecke heute 2,9 Kilometer. Die Trainerin ist zufrieden: „Das ist eine ganz tolle Gruppe! Alle sind ehrgeizig, je nach Vermögen.“ Und schon heißt es: „Raus aus dem Wasser! Bis zum nächsten Mal!“