Wenn an zwei Tagen 300 historische Sportwagen über die ehemalige Solitude-Rennstrecke rollen, schlägt das Motorsportherz höher. Perfekt ist das Glück, wenn man bei zwei Legenden auf dem Beifahrersitz Platz nehmen darf.

Lokales: Tom Hörner (hör)

Stuttgart - Das hört sich nach einem Sonntagsausflug in einem alten, gepflegten Sportwagen an. „Ich fahre vorsichtig“, sagt die Rennsportlegende Eberhard Mahle. Dann weist einen ein Porsche-Mitarbeiter darauf hin, dass Mahle, 84, der seine Karriere 1954 in einem DKW auf der Solitude begann, unlängst wieder eine Oldtimer-Rallye gewonnen habe. Aus dem Sonntagsausflug wird wohl nichts. Ist ja auch Samstag.

 

Schon beim Einsteigen in den silberfarbenen Porsche 356 Carrera GT, Baujahr 1960, wird dem Durchschnittsfahrer klar, dass beim Rennsport weniger schon immer mehr war. Die Sitze sind schmal, Nackenstützen fehlen und die Vierpunktgurte, sagt Eberhard Mahle, seien erst später eingebaut worden. In der Hochzeit von Eberhard Mahles Rennkarriere, den 50er und 60er Jahren, haben die Piloten noch gehofft, sich im Falle eines Unfalls mit einem kühnen Sprung aus dem Wagen retten zu können.

Video: Eberhard Mahle im Porsche 356 Carrera GT

Lederhandschuhe an – dann geht es los

Als Eberhard Mahle den Vierzylinder-Boxer des Wagens anlässt, ist klar, dass auch bei der Motordämmung gespart wurde, wobei der Sound nicht unangenehm klingt. Der Carrera, ein Prachtstück aus dem Porsche-Museum (Schätzwert: eine Million Euro), hört sich wie ein Porsche an, nur vielleicht noch eine Spur frecher. Falls der Beifahrer Fragen habe, hat Mahle gesagt, möge er sie stellen, bevor wir auf die Strecke gehen. Nicht nur des Motorenlärms wegen, auch weil, wie sich zeigen wird, Mahle hoch konzentriert hinterm Steuer arbeiten muss.

Der Start verzögert sich, weil ein Pilot einen Formel-1-Wagen im Wald zerlegt hat. Zeit zu reden. Über moderne Assistenzsysteme, die der Oldie nicht besitzt. Das System, das über den 356er wacht, wirkt dennoch vertrauenserweckend: Mahle, Sohn des Mahlewerkmitbegründers Ernst Mahle, trägt einen hellblauen Renn-Overall aus Baumwolle („Meine Frau hat auf den aufgepasst, bei mir wäre er von Motten zerfressen.“), Schildmütze, Brille und als es losgeht, streift er sich Lederhandschuhe über.

Das ist Fahren in Vollendung

Was nun kommt ist, soweit der Beifahrer das beurteilen kann, Fahren in Vollendung. Mahle nimmt die Ideallinie, hat stets die hinter ihm fahrenden Autos im Blick. Er rast nicht, er fährt schnell. Die Nadel des Drehzahlmessers, dem zentralen Instrument am im Wagenfarbe lackierten Armaturenbrett, pendelt zwischen 4000 und 6000 Umdrehungen pro Minute. 7000, hat Eberhard Mahle angekündigt, wolle er den Leuten von Porsche nicht zumuten. Auf der Höhe von Büsnau, dem schnellsten Stück, nimmt er wegen der Bodenwellen Gas raus. Der Tacho, der sich hinterm Holzlenkrad versteckt, zeigt 170. Dann die kurvenreiche Mahdentalstraße. „Alle Kurven sehen gleich aus. Aber man muss sie unterschiedlich anfahren.“ Eberhard Mahle nimmt sie mit Bravour.

Jochen Mass gibt der Kutsche die Sporen

Am Nachmittag dann als Kontrastprogramm die Fahrt im Mercedes-Benz Typ S (Baujahr 1927) mit Jochen Mass (Baujahr 1946). Der offene, schwere, weißlackierte Wagen, der den Rennsport der 20er Jahre dominierte (Spitzname: „Weißer Elefant“), ist groß wie ein Schiff. „1927 war das ein echter Rennwagen, die 170 Kilometer Höchstgeschwindigkeit waren wie heute Tempo 400“, sagt Jochen Mass. „Heute ist das ein Wagen zum Genießen.“ Als der Beifahrer fragt, ob er nebenher filmen dürfe: „Erst mal genießen.“ Mass, der Seemann gelernt hat, bevor er in den Motorsport einstieg, passt glänzend hinter das gewaltige Steuerrad. Bei dem Auto aus der anderen Zeit ist nichts wie gewohnt: Man thront auf einer Couch, das Bremspedal ist rechts, in der Mitte das Gas, und während der Fahrt justiert Mass die Zündung per Hand. Nur die Sturzhelme, die wir tragen, wollen dazu nicht passen.

Video: Jochen Mass im Mercedes Typ S

Bei der Steigung am Glemseck lässt es der ehemalige Formel-1-Pilot gemächlich angehen. Die Zündung mache Probleme, deshalb verzichte er auf den Kompressor, der dem Sieben-Liter-Motor 180 PS und ein elefantöses Gebrüll entlocken würde. Auf der Ebene gibt Jochen Mass der Kutsche die Sporen. Dass er den Wagen am Schatten die Kurven hinunterdriften lässt, versteht sich von selbst. Das ist er dem Publikum schuldig.

Fast hat man vergessen, wie schön Autofahrer sein kann. Zwei Meister des Rennsports haben einen daran erinnert.

Weitere Videos zum Solitude Revival finden Sie auch auf der Facebook-Seite des StN-Kolumnisten KNITZ: http://stn.de/knitz