Professor Manfred Nagls Sammelleidenschaft hat Spielsachen aus dem vergangenen Jahrhundert bis heute zusammengebracht. Ob Schurken oder Superhelden, erfahren Sie wer alles dabei ist - bestimmt finden Sie auch Ihr Kinderspielzeug.

Stammheim - Buffalo Bill reitet, Eduard Zimmermann löst Kriminalfälle im „Aktenzeichen XY Spiel“, und Superman ist so heldenhaft wie eh und je: Am Freitagabend, 9. Juni, eröffnet in der Stammheimer Bücherei die Ausstellung „KinderMedienWelten“ mit Stücken aus der Sammlung historischer Spielzeuge und Kindermedien der Stuttgarter Hochschule der Medien. Sie wird dabei wohl für jeden zur Zeitreise zwischen Nostalgie, Begehrlichkeit und wohligem Schauer.

 

Bibo aus der Sesamstraße oder doch lieber Lurchi und seine Abenteuer? Ost- oder westdeutsches Sandmännchen? Vorsicht: Fragen wie diese geben mehr über einen preis als die durchschnittliche Facebook-Seite. Denn sie verraten, wann und wo jemand aufgewachsen ist und was ihn geprägt hat. Zweifellos wird in den „KinderMedienWelten“ jeder das Ausstellungsstück finden, das ihn in ferne Kindertage zurückkatapultiert, ob er will oder nicht. Weil man genau dieses Spielzeug damals hatte oder genau jenes gerne gehabt hätte. Aber die Stammheimer Ausstellung ist andererseits kein ausschließliches Schwelgen in Erinnerungen an alte Zeiten. Sie zeigt auch, wie Marken und Produktmanager früh Einfluss auf das Konsumverhalten schon der Kleinsten nehmen, und wie sich auch die Weltpolitik bisweilen schon in die Kinderzimmer stiehlt.

Vom Fortschritt in den Kinderzimmern

Professor Manfred Nagl etwa betrachtet das Würfelspiel mit dem gezeichneten Charakter „Kohlenklau“ immer noch mit Schaudern, dabei sollte es doch die ganze Familie dazu motivieren, Heizmaterial einzusparen. Allein, die Figur, die scheinbar so mühelos in allen Wohnungen ein und ausgehen konnte, erschreckte den Buben zutiefst: „Ich hatte eine Scheißangst vor dem“, erzählt er heute, während des Ausstellungsaufbaus. Nagl hat lange an der Hochschule für Medien gelehrt und in dieser Zeit die Sammlung aufgebaut, aus der nun Stücke in der Stammheimer Bücherei gezeigt werden. Er erzählt auch von der Vertreibung aus Tschechien als kleiner Junge, und von dem Spielzeug, das er nicht mitnehmen durfte: „Vielleicht habe ich seither einen Sparren weg“, erklärt er seine Sammelleidenschaft und zuckt mit den Schultern.

Die Ausstellung mit ihren Stücken vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute erzählt auch davon, wie der Fortschritt in den Kinderzimmern Einzug gehalten hat. Von der Sparbüchse in Form eines Schokoladenautomaten bis hin zur Laptop-Attrappe. Dazwischen aber auch ein Würfelspiel, das die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg zum Thema hat. Weil jedes Exponat auch ein Abbild seiner Zeit ist und auf seine Weise auch immer manipuliert: Die Eltern, die das Spielzeug ja kaufen müssen und denen suggeriert wird, dass es förderlich für die Entwicklung des Kindes ist. Und natürlich die Kinder selbst, für die gezielt immer neue Objekte der Begierde produziert werden: „Kaugummi-Bilder faszinieren mich besonders“, sagt Manfred Nagl: „Wie die Kinder sie sammeln und untereinander tauschen, das ist eine Welt, die Erwachsenen völlig verschlossen ist.“

Jagdfieber und Sammelerfolg

Besonders spannend: Einige der Exponate können nun sogar ausprobiert werden. Außerdem wird Nagl am Eröffnungsabend selbst in die Ausstellung einführen und von Jagdfieber und Sammelerfolg berichten. Mit ein bisschen Glück wird er dann auch eines der tollsten Stücke vorstellen, ein rund hundert Jahre altes Sammelalbum einer Schokoladenfirma. Genau hinsehen lohnt sich: Einige der Karten zeigen, wie man sich damals das Jahr 2000 vorgestellt hat: Menschen fliegen mittels überstreifbarer Flügel. Die hat auch der Polizist, der über die Einhaltung der Regeln im Luftraum wacht - er trägt dabei freilich eine Pickelhaube.