Wer ausreisepflichtig ist, müsse das Land verlassen, sagt Städtetagspräsidentin Barbara Bosch zum Thema Abschiebungen. Nicht selten aber müssten Menschen gehen, die wertvoll wären für die deutsche Gesellschaft. Für dieses Problem hat sie eine Lösung.

Stuttgart - Nach sechs Jahren gibt die Reutlinger Oberbürgermeisterin Barbara Bosch ihr Amt als Präsidentin des baden-württembergischen Städtetags ab. Anfangs hatte sie die Schulpolitik der grün-roten Koalition in Atem gehalten, danach die Flüchtlingspolitik. Sie findet: Der Staat und mit ihm die Städte und Gemeinden bewährten sich in der Flüchtlingskrise, von einem Staatsversagen könne keine Rede sein.

 
Frau Bosch, im wohl geordneten Deutschland ist neuerdings viel von Staatsversagen die Rede. Die Kritik zielt auf die Asyl- und Migrationspolitik. Die Kommunen sind von dieser Politik unmittelbar betroffen. Können Sie ein Staatsversagen erkennen?
Die Antwort ist ein klares Nein. Wir wurden anfangs überrascht von der großen Zahl der Flüchtlinge. Das gilt für alle staatlichen Ebenen. Es gab Anfangsschwierigkeiten, es wurden auch Fehler gemacht. Aber Staatsversagen? Ganz im Gegenteil. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern haben wir die Flüchtlingsbetreuung gut hinbekommen. Bei uns stehen die Leute nicht auf der Straße oder campieren in der Kälte. Das ist in den Städten und Gemeinden vor allem der kommunalen Selbstverwaltung zu verdanken – mit Bürgermeistern, die – anders als in zentralistisch organisierten Staaten – nicht warten, bis von oben Order und Mittel kommen, sondern mit ihren Gremien selbstständig handeln.
Waren und sind es nicht vielmehr die ehrenamtlichen Helfer, die mit einem bewundernswerten Engagement das Staatsversagen abwenden und nicht zuletzt den Kommunen aus der Patsche helfen?
Ja und Nein. Das Lob für die Ehrenamtlichen kann gar nicht groß genug ausfallen. Da findet etwas statt, was ich so noch nicht erlebt habe. Ganz toll. Ein Staatsversagen ist doch nicht deshalb gegeben, weil sich Ehrenamtliche einschalten. Der Staat, die Bürgergesellschaft insbesondere, kann grundsätzlich und immer nur dann bestehen, wenn sich Menschen ehrenamtlich engagieren – beispielsweise die vielen ehrenamtlichen Helfern in der Pflege alter und kranker Menschen, bei den Rettungsdiensten oder in den Kirchengemeinden. Nun ist in einer besonderen Situation die Flüchtlingshilfe dazugekommen. Das ist Ausdruck einer lebendigen, wertegebundenen Bürgergesellschaft, kein Indiz für Staatsversagen.