Die Beete an der Bergstraße sollen nicht nur Menschen mit grünem Daumen zusammenbringen, sondern beispielsweise auch Wildbienen beim Überleben helfen. Die sind bedroht, inzwischen gibt es nur noch halb so viele Arten wie noch vor wenigen Jahren.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

S-Ost - Urban Gardening, also Gärtnern im öffentlichen Raum, ist ja schon seit einigen Jahren schwer in Mode. Während die soziale Komponente der Städter, nämlich Grün ins Grau ihrer dicht besiedelten Heimat zu bringen, sich eigentlich schon auf den ersten Blick erschließt, bleibt der ökologische Aspekt häufig im Hintergrund. Nicht so am Samstag beim Urban Gardening an der Bergstraße. Da haben nämlich Bienen den Hobby-Gärtnern aus der Nachbarschaft fast die Show gestohlen.

 

Doktorarbeit über Bienen

Dass die Tierchen getrost als Ehrengäste gelten durften, haben sie auch Bezirksvorsteherin Tatjana Strohmaier zu verdanken, die zur Eröffnung der Saison ein paar Worte sprach: „Pflanzen verschönern nicht nur das Ortsbild, sondern tragen auch ein ökologisches System.“ Wildbienen seien in der Population bedroht. „Aber auch die Bienen, die Honig auf dem Rathausdach produzieren, fliegen bestimmt in allen Innenstadtbezirken herum.“

Falls sie es bis nach Gablenberg schaffen, würden sie damit auf jeden Fall Lea Kretschmer einen Gefallen tun. Sie untersucht für ihre Doktorarbeit an der Uni Hohenheim, von welchen Blüten die Insekten tatsächlich am liebsten kosten – und welche deshalb eingesetzt werden könnten, um den gefährdeten Bestand zu sichern.

Kretschmer testet hierzu ganz unterschiedliche Zierpflanzen. „Wir haben 561 Wildbienenarten in Deutschland“, sagt sie. Wie stark die Wildbienenpopulation beziehungsweise die Artenvielfalt in den letzten Jahren zurückgegangen sei, könne gar nicht genau gesagt werden, hierzu gebe es einfach zu wenig Forschung. Einige Quellen sprächen aber davon, dass in den letzten zwanzig Jahren weltweit die Insektenpopulation um die Hälfte zurückgegangen sei. Der Nabu spreche teilweise sogar von 80 Prozent. Und nicht nur die Wildbienen, sondern die Gesamtpopulation der Insekten seien hiervon betroffen.

Alle 14 Hochbeete sind belegt

Doch nicht nur Zierpflanzen gibt es in den 14 Beeten auf der Urban-Gardening-Fläche zu entdecken. Die Anwohner haben auch Radieschen, Kräuter, Tomaten oder Erdbeeren gepflanzt. Aktuell gibt es auch keine freien Plätze mehr in den Beeten, die aus alten Holzplatten der abgerissenen John-Cranko-Schule bestehen. „Aber es lohnt sich, bei uns anzufragen. Ein bisschen Fluktuation haben wir immer“, sagt Laura Boonen von der Projektgruppe.

Diese arbeitet mit Geldern des Sanierungsprogramms „Soziale Stadt Gablenberg“ und wird von diesem mit 1000 Euro für Materialkosten gefördert. Boonen und ihre etwa 15 Mitstreiter, die das Projekt ehrenamtlich begleiten, kommen selbst in den meisten Fällen aus Stuttgart-Ost. Und da sie über keine eigenen Gärten und häufig nicht mal über einen Balkon verfügen, erfüllen sie sich gewissermaßen mit den öffentlichen Beeten ihren eigenen Traum vom Gärtnern.

Die Wand dahinter soll noch schöner werden

Bezirksvorsteherin Tatjana Strohmaier hat natürlich nicht nur den Bienen, sondern auch den Menschen in Stuttgart ihre Unterstützung zugesichert. „Das Häusle im Grünen haben hier nur die wenigsten“, sagt sie. Darum wolle sie im Bezirksbeirat, bei der Verwaltung und im Rathaus für weitere ähnliche Projekte werben.

Doch auch beim Urban Gardening an der Bergstraße gibt es aus Sicht der Projektgruppe noch etwas zu tun: und zwar an der Wand direkt hinter der Beet-Landschaft. „Es wäre schön, wenn da zum Beispiel Kunst entsteht“, sagt die Projektgruppen-Sprecherin Laura Boonen. Momentan ist die Mauer mit Graffiti jenseits allen künstlerischen Anspruchs und vulgären Schriftzügen verschandelt.

Das Problem: Die Wand hinter der Wiesenfläche ist Privateigentum. Wenn der Eigentümer sich zu einem Kunstprojekt überreden ließe, würde auch die Kulisse für den Gemeinschaftsgarten stimmen.