Mehr als 20 000 Euro soll die evangelische Kirche für die Gehwegreinigung an die Stadt bezahlen. Dagegen hat die Kirche geklagt. Jetzt ist ein Vergleich in Sicht. Aber was ist mit den Anliegern, die keinen Widerspruch eingelegt haben?

Stuttgart - Kirchenpfleger Hermann Beck ist zufrieden. „Mit diesem Vergleich können wir leben“, sagt er. Kein Wunder – die evangelische Kirchengemeinde Stuttgart spart rund 12 000 Euro an Gehwegreinigungsgebühren für das Jahr 2014. Allerdings muss der Gemeinderat erst noch sein Plazet geben. Anfang Juli wird endgültig Klarheit herrschen.

 

Mitte 2014 war der evangelischen Kirche ein Gebührenbescheid ins Haus geflattert. 20 419,77 Euro sollte die Kirche für die Gehwegreinigung bezahlen. Denn der Gemeinderat hatte die sogenannte Reinigungszone I auf das Gerber-, Hospital- und auf das Leonhardsviertel erweitert. Grund hierfür: „Bei der Stadt hatten sich die Beschwerden über den zunehmenden Müll gehäuft“, sagt die Anwältin Andrea Vetter, die die Stadt vor der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts vertritt. Diese Erweiterung sei schlüssig und fachgerecht gewesen. In der neuen Satzung legte die Stadt ihren Anteil an der Kehrgebühr auf fünf Prozent fest.

13 Anlieger legen Widerspruch ein

Die evangelische Kirche und weitere zwölf Anlieger legten Widerspruch gegen ihre Bescheide ein. Kirchenpfleger Beck bestätigt vor Gericht, dass die Vermüllung massiv zugenommen habe. Der Dreck stamme vor allem von den Nachtschwärmern, die sich in den Clubs an der Theodor-Heuss-Straße verlustierten. Und dafür sei die Stadt zuständig, nicht die Kirche. Der städtische Anteil an den Kehrgebühren müsse mindestens 50 Prozent betragen.

Er verstehe auch nicht, so Beck, dass die Kehrgebühren zum Beispiel in Freiburg und Heidelberg nur ungefähr ein Drittel so hoch seien. „Die Besen können in Stuttgart doch nicht so viel teurer sein“, sagt der Kirchenpfleger. Die Anwältin der Stadt kontert: Der Personaleinsatz in Stuttgart sei sehr hoch, da oft nicht mit Maschinen gereinigt werden könne.

Stadt ändert Regeln

Nach dem Protest und den Widersprüchen gegen die 2014-Bescheide ging der Gemeinderat in sich und verschickte für 2015 erst einmal keine Gebührenbescheide. 2016 änderte der Gemeinderat die Regeln. Er nahm die Leonhardskirche aus der Reinigungszone heraus und erhöhte den städtischen Anteil an der Kehrgebühr von fünf auf 15 Prozent. „Das war ein politischer Kompromiss“, sagt Anwältin Vetter. Der Abfallwirtschaftsbetrieb halte die alte Satzung nach wie vor für angemessen und sachgerecht. Trotz der Änderung legte die Kirche auch gegen die Bescheide von 2016 und 2017 Widerspruch ein.

Einen Zahn zieht der Vorsitzende Richter Wolfgang Gaber dem Kläger Beck ohne Umschweife: „50 Prozent städtischen Anteil können Sie vergessen.“ Die Stadt habe hier einen ziemlich weiten Ermessensspielraum. Auch die Erweiterung der Reinigungszone im Jahr 2014 stelle kein Problem dar. Allein die Reinigungshäufigkeit, die damals von dreimal pro Woche auf siebenmal erhöht worden war, sei wohl zu beanstanden. „Da hat sich der Gemeinderat keine Gedanken gemacht, das ist zu holzschnittartig“, so der Richter. Es hätte eine Abstufung der Reinigungshäufigkeit in den einzelnen Gebieten geben müssen.

Die anderen Anlieger gehen leer aus

Richter Gaber schlägt vor, die Stadt solle doch die Regelung aus dem Jahr 2016 auf den Bescheid von 2014 übertragen. So könne man einen langen Rechtsstreit durch mehrere Instanzen vermeiden. Kirchenpfleger Beck und die Vertreter der Stadt stimmen zu. Damit muss die Kirche statt mehr als 20 000 Euro für 2014 nur noch knapp 7900 Euro bezahlen. Das letzte Wort hat allerdings der Gemeinderat. Die Stadt will diesen Vergleich auch den anderen zwölf Anliegern vorschlagen, auf dass sie ihre Widersprüche zurücknehmen. Die mehr als 350 anderen Anlieger, die keinen Widerspruch eingelegt haben, gehen jedoch leer aus. Deren 2014-Bescheide sind rechtsgültig.