Derzeit drängen in Stuttgart mehrere Acts ins Rampenlicht, die tanzbare, elektronische Musik live aufführen. Damit verschwimmen auch die Grenzen zwischen Club und Konzert. Genau darüber haben wir uns mit dem Duo Stur und Dumm unterhalten.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Konzert und Clubbetrieb sind streng getrennte Sphären der Abendgestaltung. Das merkt man immer wieder dann, wenn nach einem Konzert auf der Bühne Gewusel ausbricht, das Publikum mehr oder weniger harsch rausgeschickt wird, das Clubpersonal einmal durchfegt und dann auf Disco umstellt.

 

Weil zumindest in der Musik Grenzen weiterhin auf dem Rückzug sind, schicken sich in Stuttgart aktuell einige meist junge Acts an, irgendwas zwischen Konzert und Club zu bieten. Rhythm Is A Dancer, Noah Kwaku, Revision (die sich bei uns schon vorgestellt haben) oder Stur und Dumm spielen ihre Dance-Tracks einfach selbst, live und mit Instrumenten. Interessant sind bei dieser Spielart der Popmusik auch die Locations. Revision zum Beispiel traten zuletzt im Planetarium auf, der 1. Stock bietet sich an - und so ungewöhnliche Stätten wie das Café Babel in Stuttgart-Mitte.

Ebendort spielen Stur & Dumm am kommenden Samstag, und tags zuvor in der sympathischen Musikkneipe Flint in Ludwigsburg. Das ist ein guter Anlass, Baris von dem Ludwigsburger Duo zwischen Drumset, Geige und DJ-Equipment zu interviewen.

 

Elektronische Livemusik spielte in den letzten Jahren keine ganz so große Rolle im Stuttgarter Livegeschäft - sehe ich das richtig oder was ich einfach nur auf den falschen Events?

"Es ist leider immer noch so …einer der Gründe wird wohl sein, dass es unheimlich schwer ist, solche Acts technisch unterzubringen - also bezüglich Sound, Bühnengröße und Equipment. Wir beispielsweise spielen unheimlich gerne auch mit einem akustischen Live Schlagzeug auf der Bühne. Sobald aber die Drums dazu kommen, geraten unsere elektronischen Backingtracks bei einer schlechten Anlage und in schwierigen Räumlichkeiten sofort in den Hintergrund. Schon verliert unsere Musik jegliche Aussage und man hört nur noch einen Schlagzeuger spielen. Selbst im großen Kowalski können Live Acts wie Jan Blomqvist nur solo auftreten, da einfach null Platz ist und die Anlage, so toll sie auch sein mag, mit einem Liveschlagzeug überfordert sein könnte."

Electronica vom DJ gibt's an allen Ecken und Enden. Was ist der besondere Reiz von Liveacts in dem Bereich?

"Für mich gibt es einen gewissen Unterschied zwischen Electronica und Electro. Electronica ist elektronisch komponierte und ausarrangierte elektronische Musik wie jede Band oder Komponist sie macht, nur mit dem Unterschied, dass sie auf elektronische Klangerzeuger zurückgreift. Manche nutzen sie mehr und manche weniger, digital oder analog. Electro, wie ihn DJs auflegen, kann Techno, sein, Techhouse, Deephouse, Trance und was es nicht sonst für Richtungen gibt. Für mich liegt in den Clubs der Hauptunterschied darin, dass ein DJ die Energie halten muss und das Publikum dauerbeschallt - während ein Künstler, der auskomponierte Musik geschrieben und produziert hat, das Publikum eher durch den Abend führt und Höhen und Tiefen präsentiert und dabei viel variiert. Darin liegt auch der Reiz von Live-Acts. Jan Blomqvist ist ein super Beispiel im Vergleich zu DJs. Da geht es auf und ab und er macht ne richtige Show - was bei DJs nicht immer so ist."

Live sitzt man ein bisschen zwischen den Stühlen: halb Konzert, halb Tanzevent. Ist das ein Problem, wenn ihr Veranstalter oder Clubs davon überzeugen wollt?

"Das ist richtig. Aber am Anfang hat es glaube ich jeder Künstler schwer, andere von seiner Arbeit zu überzeugen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Clubs, kleinere Locations, Festivals und Konzertbühnen gleichermaßen bedienen zu können. Beispielsweiße reden wir, wenn es um 'Stur und Dumm' geht, nicht mehr über eine Band im klassischen Sinne, sondern vielmehr um ein modulares Projekt, das sich musikalisch als auch technisch an jede Situation vor Ort anpassen kann. Jetzt am Anfang ist es schwierig, das den Veranstaltern klarzumachen. Trotzdem gibt es Locations, die eine gewisse Qualität erkennen und uns regelmäßig buchen. Für uns ist das alles doppelte Arbeit, weil wir einfach von allem mehr Material benötigen. Für Clubs eben den Techno, House und was wir sonst als interessant empfinden und für die Konzertbühnen eben auch mal Rock, filmmusikalische Stücke, Downbeat oder sogar TripHop."

Das Café Babel ist nicht der allerüblichste Ort für so ein Event. Tretet ihr sonst noch irgendwo auf, wo man solche Musik nicht erwartet?

"Das Cafe Babel ist in der Tat eine unübliche Location für solch ein Event - aber gerade deswegen so offen für uns, da es nicht von Bookingangeboten überflutet wird. Es ist ein Cafe, dass im UG noch einen relativen großen Raum zur Verfügung hat. An dieser Stelle gilt zu erwähnen, dass wir Technik und alles andere selbst stellen müssen. Die angesagten Locations haben einfach kaum Termine frei. Deshalb müssen wir umso kreativer werden und die Dinge eben noch ein wenig mehr selbst in die Hand nehmen. Abgesehen vom Cafe Babel spielen wir am Abend zuvor im Flint in Ludwigsburg, im Sommer waren wir beim U&D zu Gast und beim SPH-Contest in Stuttgart Exoten."

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