Für Stuttgart 21 wird für 35 Millionen Euro eine neue Brücke über den Neckar gebaut. Die Einzelteile werden vom West- ans Ostufer geschoben. Ein erstes Teilstück soll im Juli über den Fluss gebaut werden.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Auf die „starke, gelbe Irene“ kommt eine Menge Arbeit zu. „Strong yellow Irene“ steht auf einem ausladend großen Kran, der am Neckarufer bei der Wilhelma aufgebaut ist. Mit seiner Hilfe soll die neue Neckarbrücke von Stuttgart 21 über den Fluss wachsen.

 

Warum Irene Irene heißt, kann Sebastian Heer nicht sagen. Ansonsten bleibt der 31-Jährige aber auf der zwischen B 10 und Neckarufer eingeklemmten Baustelle kaum eine Antwort schuldig. Der Bauingenieur ist verantwortlich für den Brückenschlag, der einmal das Portal des neuen Tunnels unter dem Rosensteinpark mit den bestehenden Gleisen am Westkopf des Bahnhofs Bad Cannstatt verbinden soll. Je zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr sowie für die S-Bahn führen dann über zwei Stadtbahngleise, die Bundesstraße, den Neckar und die Schönestraße.

Arbeitsplattform in luftiger Höhe

Derzeit arbeitet Heers Mannschaft noch an den letzten Vorbereitungen. Über einigen Fahrspuren der B 10 und der eigentlichen Baustellenfläche wird in sechs Meter Höhe eine 40 Meter breite und 53 Meter lange Arbeitsplattform errichtet. Von dieser erhöhten Warte aus soll die Brücke vom West- ans Ostufer wachsen. Um nicht dem Wetter ausgesetzt zu sein, entsteht auf der Plattform eine bis zu zwölf Meter hohe Montagehalle. „Schüsse“ nennt Heer die einzelnen zwischen 20 und 25 Meter langen Abschnitte, die Stück für Stück über den Neckar geschoben werden. Zwölf solcher Arbeitsschritte werden nötig, dann ist die Wasserstraße überbrückt. Im Juli soll ein erstes Teilstück auf die Reise geschickt werden. Zuvor wird aber noch in jenem Teil des Neckars, auf dem keine Schiffe fahren, eine Stütze vorübergehend aufgebaut.

Die 350 Meter lange Brücke besteht aus rund 30 000 Einzelteilen. Die meisten von ihnen werden bereits im Werk des Bauunternehmens Max Bögl in Bayern zusammengefügt und per Lastwagen nach Stuttgart geschickt. Das längste Teil, das auf Reisen geht, bringt es auf 38 Meter. 80 Tonnen wiegt das schwerste Einzelteil. Insgesamt werden für die Brücke 4800 Tonnen Stahl verbaut, die auf mehreren Reihen von Pfeilern lagern. 35 Millionen Euro sind für den Bau der Brücke vorgesehen, deren Pläne vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich Bergermann Partner stammen.

Kritiker warnen vor Gefahren für das Mineralwasser

Während am Ostufer die Stützen schon in den Himmel wachsen, muss die bestehende Mole in der Mitte des Flusses erst noch vorbereitet werden. Auch dort stehen Brückenpfeiler. Allerdings ist die Mittelinsel nicht für die von der Brücke ausgehende Belastung ausgelegt. Derzeit werden zwischen sieben und zehn Meter lange Pfähle in den Untergrund betoniert, die die Lasten aufnehmen sollen. Wirtschaftlicher wäre es gewesen, so Heer, weniger aber dafür längere Pfähle zu setzen. Aber das in Bad Cannstatt nur wenige Meter unter der Oberfläche anstehende Mineralwasser habe das unmöglich gemacht. „Sonst hätten wir hier ein neues Mineralbad aufmachen können“. Projektgegner hatten immer wieder moniert, der Brückenbau bringe das Mineralwasservorkommen in Gefahr.

Bis 2018 will Heer den Stahlbau an der Brücke beendet haben, das gesamte Bauwerk soll 2020 fertig sein. Im Jahr zuvor sollen die Umwege für Radfahrer und Fußgänger ein Ende haben, zu denen diese seit Abriss des Holzstegs gezwungen sind.

Die Brücke, zur Bundesgartenschau 1977 gebaut, musste der Baustelle weichen. 2019 soll unter die neue Eisenbahnbrücke ein Fuß- und Radsteg gehängt werden, der die Querung des Flusses ermöglicht. Von Cannstatt aus führt ein weiterer Steg über die B 10 in den Rosensteinpark. Er ersetzt den Elefantensteg, der dem Bau des B-10-Tunnels im Weg gestanden war.