Zehn von 60 Kilometer S-21-Tunnel sollen bis Jahresende gebohrt sein – ein ehrgeiziges Ziel, das aber noch erreichbar schein. Mehr macht der Bahn der Lärmschutz an ihren Baustellen zu schaffen, die lauter sind als prognostiziert.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Wenn die Patin auf einen Besuch vorbeischaut, kommt sie meist mit Geschenken und guten Worten im Gepäck. Da macht auch Tülay Schmid keine Ausnahme. Die Ehefrau des baden-württembergischen Wirtschaftsministers Nils Schmid (SPD) besucht aber nicht den Neffen oder die Nichte, sondern gestandene Männer. „Was die machen, ist Ingenieurskunst vom Feinsten“, lobte sie diese Woche am Portal des Fildertunnels für Stuttgart 21. Die Patenschaft hat sie genau vor einem Jahr übernommen.

 

Damals im Juli 2014 ragte in der Grube, in der die 41-Jährige am Dienstag die Mineure traf, noch die gut 120 Meter lange Tunnelbohrmaschine auf. Das 2000-Tonnen-Gerät ist längst außer Sicht. Die Maschine hat nun knapp drei Kilometer Strecke gemacht und stellt gerade den Tunnel unterhalb des evangelischen Waldheims Degerloch im Weidachtal her.

Die Vortriebsleistungen schwanken

„Mehr als 500 Meter im Monat“ schaffe die Tunnelbohrmaschine, gab Stuttgart-21-Chef Manfred Leger in der jüngsten Ausgabe des Projektmagazins „Bezug“ zu Protokoll. Damit wäre die Vorgabe von Volker Kefer bereits zur Hälfte erfüllt. Der Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn hatte Anfang Mai bei einer Anhörung vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags „1000 Meter pro Monat“ als Marschroute ausgegeben, um die Inbetriebnahme des umgestalteten Bahnknotens 2021 zu gewährleisten.

In den zurückliegenden vier Wochen allerdings kam die Maschine nur knapp 320 Meter voran. Kein Grund zur Unruhe für Robert Pechhacker von der Arbeitsgemeinschaft österreichischer Firmen, die den Tunnel baut und für Thomas Berner, den Teamleiter Technik der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm in dem betreffenden Bautabschnitt. „Wenn die Maschine länger läuft, werden eben Wartungsarbeiten fällig“, sagt Pechhacker. Die Maschine werde nicht mit angezogener Handbremse betrieben – sie sind sich sicher, dass sie unterm Strich die Vorgabe erreichen werden.

Zum Jahresende soll die 10-Kilometer-Marke fallen

Gut 1000 Meter hat der stählerne Koloss noch vor sich. Einmal unterirdisch am Ortsrand von Degerloch angekommen, tritt für die Maschine eine Zwangspause ein. Sie wird zurück zum Fasanenhof und ans Tageslicht geschleppt. Das soll von September an passieren.

Zum Jahresende, so das Diktum von Manfred Leger, sollen sich die Mineure für Stuttgart 21 insgesamt zehn Kilometer weit durch den Untergrund der Landeshauptstadt gewühlt haben. Anfang dieser Woche waren rund 6,2 Kilometer geschafft. Die Tunnelbauer wissen also, was von ihnen erwartet wird – zumal Leger im StZ-Interview im April ankündigte, die Schlagzahl erhöhen zu wollen.

Einige Baustellen sind zu laut

Während sich unter der Erde die Baustellenabläufe also eingespielt zu haben scheinen, läuft es unter freiem Himmel weniger gut. Zerknirscht musste die Bahn jüngst einräumen, dass ihre Baustelle im Mittleren Schlossgarten weit lauter ist als prognostiziert – was umfangreiche Lärmschutzmaßnahmen nach sich zieht. Dem Vernehmen nach steht der Bahn ein vergleichbarer Kotau auch im Bereich des Wartbergs und des Inneren Nordbahnhofs bevor. Dort baut die Projektgesellschaft am Tunnel nach Feuerbach und schlägt den in der Stadt anfallenden Aushub von der Straße auf die Schiene um. Mit zunehmender Baustellenaktivität soll die Logistik rund um die Uhr arbeiten – was den Nachbarn unruhige Nächte bescheren würde, wenn nicht entschieden gegengesteuert wird.

Robert Pechhacker und Thomas Berner müssen sich solche Gedanken nicht machen. Ihre Baustelle liegt in Hörweite des niemals abreißenden Verkehrsstroms auf der Autobahn 8. Dort soll die Tunnelbohrmaschine bis Anfang kommenden Jahres wieder in Stellung gebracht werden, um die zweite Röhre in Angriff zu nehmen. Tunnelpatin Schmid hat ihren Besuch angekündigt – lobende Worte inklusive.