Weniger Autos und Parkplätze, stattdessen mehr Platz und Angebote für Fußgänger, Radfahrer und Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs, dazu E-Mobile und Carsharing: Das Quartier am Wiener Platz könnte als Pilotprojekt für eine solche Entwicklung in der Stadt dienen.

Feuerbach - Die Bebauung des früheren Schoch-Areals eröffnet nicht nur städtebaulich neue Chancen, sondern ermöglicht den Stadtplanern auch, neue Konzepte für die Mobilität an einem der zentralen städtischen Verkehrsknotenpunkte wie dem Bahnhof Feuerbach zu entwickeln und zu erproben. Ein neues Wohnquartier mit 150 Wohnungen wird in den kommenden Jahren am Wiener Platz entstehen (wir berichteten). Dort, wo heute Pendler täglich aus oder ins Bahnhofsgebäude strömen, sollen künftig Menschen auf den umliegenden Plätzen und an den Straßen Kaffee trinken, essen, shoppen, bummeln und sich erholen. Geplant ist, die Burgenlandstraße als neue Achse – in erster Linie für Fußgänger und Radfahrer – durch das künftige Wohnquartier bis zum Wiener Platz und Bahnhof zu führen.

 

Drehscheibe und Verkehrsknotenpunkt

Die zentrale Lage beim Bahnhof Feuerbach bietet zudem die Gelegenheit, den Öffentlichen Personennahverkehr an dieser Stelle besser als bisher mit anderen Verkehrsmitteln zu verknüpfen. Zum Beispiel mit Elektro-Smarts und Car-Sharing-Angeboten, mit E-Fahrrädern und E-Rollern zum Mieten.

Wenn Andreas G. Winter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stuttgarter Gemeinderat, morgens gegen 7.30 Uhr von seinem Wohnort am Roser-Platz die paar Schritte zum Bahnhof geht, um von dort zu Terminen ins Stuttgarter Rathaus zu fahren, dann sieht er, wie viele Leute inzwischen mit dem Fahrrad zum Bahnhof Feuerbach fahren: „Die Räder stehen wild am Geländer der Stadtbahn entlang, wir brauchen dort dringend Fahrradabstellplätze.“ Ein neues Mobilitätskonzept biete sich an, meint er: „Ich habe schon immer gedacht, dieses Thema müssen wir dort spielen.“

Allerdings kann so ein Mobilitätskonzept nur dann funktionieren, wenn auch genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen: „Wir haben beim ÖPNV viele Aufgaben vor uns, wir müssen dringend die Kapazitäten erhöhen“, sagt Winter. Dass der Bahnhof Feuerbach immer noch nicht barrierefrei ausgebaut sei und „als Knotenpunkt mit drei S-Bahnen so daherkommt, ist schon ein großes Ärgernis“, betont er zudem.

Weniger Stellplätze, mehr öffentlicher Nahverkehr

Momentan gibt es dort die S-Bahn-Linien S4, S5 und S6/60. Auf dem Platz vor dem Bahnhof halten die U 6 und die U 13. Das Angebot soll perspektivisch durch eine dritte Linie – die U 16 zwischen Feuerbach und Fellbach – ergänzt werden. Am Busbahnhof halten die Linie 91 sowie mehrere Buslinien, die in die Region fahren. Eigentlich ist es der ideale Wohnort, um komplett aufs Auto zu verzichten. Auch deshalb hat die Stadt im Neubau-Quartier den Stellplatz-Schlüssel stark reduziert. Statt, wie sonst üblich, einen Tiefgaragenplatz pro Wohnung festzusetzen, sehen die Pläne rechnerisch 0,5 Parkplätze für jede Wohnung mit einer Größe bis 60 Quadratmeter und 0,75 Stellplätze für jede Wohnung über 60 Quadratmeter vor. Der Feuerbacher CDU-Bezirksbeirat Manfred Vorlaufer hält das für eine blauäugige Planung: „Das ist schon sehr optimistisch. Ich denke, das wird nicht funktionieren“, äußerte er unlängst im Bezirksbeirat seine Bedenken.

Axel Fricke vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung hält den Schlüssel dennoch für realistisch. Ein Teil der Mieter könne sich ein Auto gar nicht leisten oder dürfe nicht fahren, erklärte Fricke den Bezirksbeiräten neulich. Schließlich werden in dem Quartier am Wiener Platz auch einige Wohnungen für Sozialhilfeempfänger, aber auch für psychisch kranke Menschen angeboten. Hinzu komme, dass es immer mehr junge Stadtbewohner gebe, die komplett aufs eigene Fahrzeug verzichten und eher auf Carsharing oder den ÖPNV zurückgreifen, erläuterte der Stadtplaner.

Die Gefahr, abgehängt zu werden

Diesen Trend sieht auch Andreas G. Winter: „Viele jüngere Leute in der Stadt haben gar kein Auto mehr, sie nutzen lieber unterschiedliche Verkehrsmittel im Verbund.“ Auch, weil sie so schneller unterwegs sind. „Wir müssen da ineinandergreifende Systeme entwickeln – bis hin zur entsprechenden App“, sieht Winter die Kommunen in der Pflicht. Sicherlich habe man dem Auto in Stuttgart Arbeitsplätze und Wohlstand zu verdanken: „Aber ich sehe natürlich auch die große Gefahr, dass wir abgehängt werden, wenn wir nicht alternative Mobiliätskonzepte entwickeln“, sagt der Grünen-Stadtrat. Und wo, wenn nicht am Bahnhof, ließen sich solche Verbundkonzepte, die ja auch den nach wie vor starken Autoverkehr entlasten, realisieren.

Bereits vor gut zwei Jahren hatten die Grünen in einem Antrag „ein Pilotprojekt zur nachhaltigen Mobilität“ fürs ehemalige Schoch-Areal gefordert. Auch die Arbeitsgruppe städtebauliche Entwicklung im Zukunftsforum Feuerbach rund um SPD-Altstadtrat Robert Thurner hat Ideen für den Bereich entwickelt. Einiges soll nun umgesetzt werden. Geplant ist, öffentliche und private Fahrradabstellplätze zu schaffen. Dazu werden im Quartier dezentrale Radverleihstationen eingerichtet, das bereits bestehende Fahrradparkhaus im Bahnhof soll erweitert werden. An der Dornbirner- und Kremser Straßen sind sechs Car-Sharing-Plätze vorgesehen, zudem sollen Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge geschaffen werden. Auch in den geplanten Tiefgaragen werden die Nutzer ihre E-Autos an die Steckdose hängen können.

Der Strom dafür soll übrigens vom quartiereigenen Blockheizkraftwerk kommen. Geplant ist, die Gebäudeblöcke an ein Nahwärmenetz anzuschließen. Die Energieversorgung soll über ein Biomethan-Blockheizkraft gekoppelt mit einer Elektro-Wärmepumpe erfolgen.