Manchmal braucht es nicht viel. Vier junge Leute aus Stuttgart-Sillenbuch sind mit Kartons voller Knabbereien und Wasserflaschen in die Innenstadt gezogen und haben Obdachlose gesucht. Die haben sie gefunden – und noch viel mehr . . .

Sillenbuch/S-Mitte - Zwei Männer halten je ein Stück Schokoladenkuchen in der Hand und stoßen damit an wie mit einem Glas Sekt. „Prost“, sagen sie und freuen sich sichtlich über das Geschenk. Mehr als dieses Stück Kuchen und einen Rucksack voller warmer Kleider und Decken besitzen die beiden nicht.

 

Vier Mitglieder der Projektgruppe Jugendrat aus Sillenbuch haben sich auf den Weg in die Innenstadt gemacht, um Obdachlosen eine Freude zu bereiten. Mit großen Kartons voller Müsliriegel und Salzstangen, etlichen Flaschen Wasser und guter Laune sind Anna-Sophia Gronbach, Claire Meyer, Michael Fischer und Julian Tirauf losgezogen. Kurz vor Weihnachten gab es das Projekt schon einmal. „Spontaner ging’s nicht“, sagt Fischer. Mittags habe er die Idee gehabt, den Obdachlosen für den Winter Socken zu schenken, abends seien sie bereits unterwegs gewesen. Ganz so spontan war es dieses Mal nicht.

Jugendräte arbeiten mit Obdachlosen und Flüchtlingen

Es ist kalt an diesem Montagabend. Die Königstraße ist wie leergefegt. An den Ecken, an denen sonst die Bettler sitzen, ist niemand. Die Pappkartons der Jugendlichen sind vom Regen schon ganz aufgeweicht. Die Stimmung leidet aber keinesfalls. „Wir geben doch jetzt nicht auf“, sagt Gronbach und zieht die Gruppe weiter in Richtung Schlossplatz. Und tatsächlich: In einer kleinen Passage steht ein Dutzend Männer und Frauen mit großen Rucksäcken, sie schützen sich vor dem kalten Regen. Als die Jugendlichen auf die Gruppe zugehen und ihnen ein paar Salzstangen und Müsliriegel anbieten, ist die Freude groß. „Ihr seid voll cool, ich möchte euch die Hand geben“, sagt einer von ihnen und hat beinahe Tränen in den Augen. Das Essen rückt für die Obachlosen und für die Jugendlichen aber schnell in den Hintergrund; zu reden ist wichtiger.

Die Männer und Frauen zeigen sich interessiert. „Von welcher Organisation kommt ihr?“, wollen sie wissen. Die Vier erklären, dass sie sich in ihrem Stadtbezirk für die Wünsche der Jugendlichen einsetzen. Aber auch von Flüchtlingen. Mit den vorübergehenden Bewohnern der Unterkunft an der Gorch-Fock-Straße haben die Jugendlichen unter anderem ein Fußballturnier organisiert.

Das Gremium besteht aus rund zehn Jugendlichen, die regelmäßig an Sitzungen und Projekten teilnehmen. Auf die kommende Aktion freuen sich Gronbach, Meyer, Fischer und Tirauf jetzt schon. „Wir machen im Sommer ein Fest für die Kinder der Flüchtlinge. Da grillen wir wieder alle zusammen“, erzählt Gronbach, die Sprecherin der Projektgruppe.

Lernen fürs eigene Leben

Die Augen der Obdachlosen an der Königstraße strahlen vor Freude über die Spenden der Jugendlichen. Trotzdem sagt einer: „Verteilt es doch lieber an Leute, die es verdient haben.“ Er erzählt von einem Freund, dem es noch schlechter gehe als ihm. Julian Tirauf holt eine Flasche Wasser heraus und reicht sie dem Mann. „Die schenkst du ihm, wenn er wiederkommt“, sagt er. Der Mann nimmt die Flasche dankbar entgegen.

Nachdem die Kartons mit den Geschenken leer sind, brechen die Jugendlichen auf. Auch ihnen hat das Ganze gut getan. „Das war ein Erfolgserlebnis für mich“, sagt Gronbach und strahlt. „Ab jetzt pass’ ich in der Schule auf“, meint Tirauf. Eindrücke wie diese seien auch das Ziel der Aktion gewesen. „Wir machen das ja nicht nur für die Menschen, sondern auch ein bisschen für uns“, gibt Meyer zu.