Zum Ferienbeginn werden sich die Autos am Echterdinger Ei wieder stauen. Die Geschichte der Riesenkreuzung ist auch ein Bild für Lust und Frust des automobilen Menschen.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Vom Ferienbeginn am Mittwoch an wird es am Echterdinger Ei wieder kritisch. Besonders in den Nachmittagsstunden warnt der ADAC vor stockendem Verkehr und Staus an einer der größten Kreuzungen der Autorepublik Deutschland. 100 000 bis 120 000 Fahrzeuge fahren auf der A 8 hier täglich vorbei, auf der B 27 werden pro Tag im Schnitt 80 000 Autos gezählt.

 

Heute ist „Kreuzung“ gewiss das falsche Wort für das Echterdinger Ei. 1955 traf die Beschreibung noch eher zu. Damals führte hier die B 27 unter der 20 Jahre zuvor errichteten A 8 hindurch. Außerdem sind entlang der Autobahn einige Gebäude, darunter mutmaßlich die später geschlossene Autobahnraststätte, zu sehen. In Richtung Tübingen fährt man bis heute entlang der B 27 an kleinteilig parzellierten Feldern vorbei, nördlich der Autobahn auf Stuttgarter Markung wurde die Landwirtschaft hingegen fast vollständig zurückgedrängt. Hier machen sich heute die Fasanenhofsiedlung sowie das Gewerbegebiet Fasanenhof-Ost breit und – etwas abseits davon – die Baustelle für den Fildertunnel, der aktuell für das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm errichtet wird.

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Erst fünf Jahre nach der Aufnahme des hier gezeigten Luftbilds begannen die Bauarbeiten für die besagte Großwohnsiedlung Fasanenhof. Als diese Siedlung 1966 auf dem einst von Herzog Carl Eugen genutzten, später mit Zuckerrübenfeldern überzogenen Gelände bezogen wurde, lebten hier knapp 10 000 Menschen. Inzwischen ist die Einwohnerzahl um ein Drittel gesunken, doch damals war die Gegend im Umbruch: Nicht nur der Bedarf an Wohnraum hatte zugenommen, sondern auch der Verkehr. Als im Fasanenhof die Bagger rollten, wurde auch die Autobahnanschlussstelle Stuttgart-Süd aufgerüstet – damals tatsächlich in Gestalt eines eiförmigen Kreisverkehrs, was dem Verkehrsknotenpunkt seinen bis heute zumindest umgangssprachlich verwendeten Namen gab.

Luftbilder aus den 60er Jahren zeigen recht großzügig über die damals immer noch erkennbaren Felder gelegte Fahrstreifen. In ganz Baden-Württemberg wurde damals Straßen neu gebaut oder verbreitert. Ein Bericht in der StZ vom Juli 1964 listet das auf zwei Tage angesetzte Informations- und Besuchsprogramm des damaligen Bundesverkehrsministers Hans-Christoph Seebohm auf: A8 bei Ulm, Echterdinger Ei, Neubau der A81, Ausbau der B 30 zwischen Ulm und Bodensee sowie der B 14 in Richtung Böblingen, vierspuriger Ausbau der B 27 bis Tübingen, Planungen für die Autobahntrasse über Ulm nach Lindau, also die heutige A 7 und A 96.

1965 rollte der Verkehr – aber nicht sehr lange

Nur ein Jahr später, also 1965, rollte auf dem Echterdinger Ei der Verkehr. Ungehindert tat er das nicht allzu lange: Die Zahl der Autos nahm ebenso zu wie die der Staus. Anfang der Nullerjahre wurde das Ei für mehr als 50 Millionen Euro mit zusätzlichen Fahrspuren, und Brücken zu einem „hochleistungsfähigen Verteilerring“ in Windmühlenform umgebaut, wie es damals in unserer Zeitung hieß: „Denn ebenso aussichtslos wie ins Don Quichottes Kampf gegen die Windmühlen waren alle bisherigen Bemühungen, den Verkehrsknoten langfristig staufrei zu bekommen“.

Dieser Kampf geht bis heute weiter. Das Vergabeverfahren für den weiteren Ausbau der über Gebühr belastete B 27 südlich des Echterdinger Eis soll laut Regierungspräsidium Stuttgart noch dieses Jahr beginnen; eine erste Schätzung geht von 60 Millionen Euro Kosten aus und rechnet bis auf die letzte eingesparte Minute Fahrzeit vor, wie viel volkswirtschaftlichen Nutzen (samt erhöhtem Kraftstoffverbrauch) man für das Geld bekommt. Ein weiterer Ausbau der A 8 auf acht Spuren zwischen dem Kreuz Stuttgart und Wendlingen ist im Bundesverkehrswegeplan hinterlegt, wird derzeit aber auch mangels personeller Kapazitäten im Regierungspräsidium nicht konkret verfolgt.

Auch wenn das diese Woche kein Trost sein mag: Schon 1964, als das Echterdinger Ei noch im Bau war, berichtet die StZ von regelmäßigen Staus zur Ferienzeit. Und: „Die Baustellen sind die Sorgenkinder der Polizei, aber auch der Autofahrer.“ Seither wechseln sich Baustellen, freie Fahrt, mehr Staus und weitere Baustellen am Echterdinger Ei stetig ab. Daran wird sich, siehe die oben geschilderten Pläne, nichts ändern. Man könnte im Echterdinger Ei respektive der Echterdinger Windmühle auch einen gordischen Knoten sehen: ein Symbol für Lust und Frust der Autofahrer. Ob er je zerschlagen wird?

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