Schon als Schülerin des Karlsgymnasiums in Stuttgart-Mitte war Lara Popovic politisch aktiv: sie saß im Jugendgemeinderat und schrieb für die Jugendpresse. Und jetzt ist die Studentin ein Jahr lang Jugenddelegierte im „Council of Europe“.

S-Mitte - „Am Donnerstagabend hab ich dann die Mail bekommen“, erzählt Lara und rückt ihre Brille zurecht. „Ich weiß nicht mehr, was Vorlesungsthema war, aber ich saß in der ersten Reihe und musste mich total zusammenreißen, um nicht loszuheulen.“ Keine Sorge, wenn Lara geheult hätte, dann nur vor Freude. An besagtem Donnerstagabend Anfang des Jahres hat sie nämlich mitten in der Vorlesung eine Mail bekommen, in der ihr zu ihrer Wahl zur Jugenddelegierten der Deutschen Delegation im Europarat gratuliert wurde. Für ein Jahr ist die Stuttgarterin, die in Konstanz Politikwissenschaften studiert, Teil des „Council of Europe“, um den Jugendlichen im Land eine Stimme zu geben – mit noch nicht einmal zwanzig Jahren.

 

Die wenigsten wissen, was der Europarat ist

Für die meisten klingt das, wie es auch ist: eindrucksvoll. Die wenigsten wissen, was der Europarat überhaupt ist, in dem Lara nun sitzt, geschweige denn, was er macht. Das sei nicht schlimm, meint sie. Auch sie habe ihn bis zur Bewerbung nicht gekannt. „Dabei ist der Europarat führende Organisation für Menschenrechte und wurde schon 1949 gegründet.“ Damals sollte ein dritter Weltkrieg um jeden Preis verhindert werden und der Europarat wurde als Hüter von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gegründet. Mittlerweile zählt er 47 Mitgliedsstaaten, darunter die 28 EU-Mitglieder, die regelmäßig zu Kongressen in Straßburg zusammenkommen.

Lara sitzt als Jugenddelegierte der Deutschen Delegation im „Kongress der Gemeinden und Regionen“, der Kommunen und Regionen vertritt und die Demokratie fördern soll. Seit vier Jahren dürfen nun Jugendliche mitmachen. Um „Youth Delegate“ zu werden, muss man kaum Vorkenntnisse, aber Interesse am politischen Geschehen in Europa mitbringen.

Wer etwas bewegen möchte und da voll dabei ist, hat gute Karten. Lara ist nicht irgendwie, sondern immer mit Feuer und Flamme und überall dabei, wo es um europäische Zukunft geht. Selbst an ihrem Geburtstag steht sie für die Initiative Pulse of Europe, vor dem Rathaus und hält eine Rede. Es ist der Wunsch nach einer Vertiefung der europäischen Gemeinschaft und die Angst, vor deren Bruch, die sie antreiben. „An sich hatte ich aber einfach immer Spaß daran, mich einzubringen und Menschen kennenzulernen, die genauso für eine Sache brennen, wie ich“, sagt sie. Auch als Schülerin des Karlsgymnasiums war Lara am „brennen“, saß im Jugendgemeinderat, schrieb für die Jugendpresse. „Dort habe ich ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet, über politische Themen zu diskutieren und seine Stimme bewusst einzusetzen.“ Das macht sie nun im „Kongress der Gemeinden und Regionen“, kurz KGRE.

Neben diesem Kongress stützen zwei weitere Säulen das Gerüst Europarat: das Ministerkomitee, das „Entscheidungsorgan“, bestehend aus den Außenministern der Mitgliedsstaaten, und die Parlamentarische Versammlung, das Diskussionsforum des Rates. Alle Mitglieder haben gemeinsam die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet, die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit schützt. Der Europäische Gerichtshof überwacht die Umsetzung dieser Konvention.

Jeder der Jugenddelegierten muss ein Projekt organisieren

Viele gesellschaftliche Errungenschaften unserer Zeit haben wir dem Europarat zu verdanken. Die Abschaffung der Todesstrafe auf dem Gebiet der Mitgliedsstaaten zum Beispiel oder die Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Aber, warum ist solch eine wichtige politische Institution dann so unbekannt? Lara hat da so ihre Vermutungen: Es sei schwierig, den europäischen Durchblick zu bewahren. „Das hört sich alles gleich an: Rat der EU, Europäischer Rat . . .“, meint sie. „Außerdem ist Europa in Schule und Uni selten ein großes Thema.“ Das möchte sie ändern. Dabei hilft die Arbeit im Rat: Jeder der Jugenddelegierten muss während seiner Amtszeit ein Projekt organisieren und zum Ende der Amtsperiode präsentieren. Dadurch soll der Europarat und bekannter werden.

Lara hat sich für ihr Projekt ganz schön was vorgenommen. „Ich erstelle eine Simulation unseres Kongresses im Europarat!“ Unter anderem soll es drei Debatten zu Jugendpolitik, Radikalisierung und dem Interkulturellen Dialog in Europa geben. Für ihr Projekt, das am Wochenende stattfindet, hat sie ein Sindelfinger Gymnasium gewinnen können. Die ganze Schule war begeistert von der Veranstaltung, die Lara von vorne bis hinten selbst organisiert hat. Sie hofft, dass sie den Jugendlichen so den Stellenwert europäischer Gemeinschaft näherbringen kann.

„In Europa sind wir 800 Millionen Menschen aus völlig verschiedenen Kulturen, und trotzdem verbinden uns dieselben Werte“, sagt Lara. „Nur aufgrund der EU haben wir heute so viele Möglichkeiten, können studieren, reisen.“ Im Moment sei man aus europäischer Sicht zwar an einer „schwierigen Stelle“, aber die zu überwinden, dafür wolle sie kämpfen. Ob sie also so was wie eine Europa-Kämpferin sei? „Nee, einfach nur Europäerin“, sagt Lara. „Und das möchte ich bleiben!“