Am Samstag beginnt das Festival des Kinder- und Jugendtheaters. Das Angebot ist groß: Ensembles aus aller Welt zeigen Ungewöhnliches.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Brigitte Dethier hatte mal wieder den richtigen Riecher. Ihre Idee: Tanztheater mit Jugendlichen, genauer gesagt mit Jungs. Im vergangenen Jahr hat sich die Intendantin des Jungen Ensembles Stuttgart (Jes) mit dem belgischen Choreografen Ives Thuwis-De Leeuw zusammengetan und brachte das Stück „9 Leben“ heraus, einen wunderbaren Theaterabend über eine Mutter mit neun Söhnen, die sich balgen und blödeln, die die Mutter ärgern und sie dann doch wieder brauchen – und manchmal auch tanzen. Denn im aktuellen Kinder- und Jugendtheater spielt der Tanz eine immer größere Rolle – nicht nur beim Jungen Ensemble Stuttgart.

 

Am Samstag wird unter dem Tagblattturm die „Schöne Aussicht“ eröffnet, ein Internationales Festival für Kinder- und Jugendtheater. Und auf dem Programm stehen auffallend viele Tanzproduktionen – es wird sogar schon für Kinder von zwei Jahren an getanzt. 49 Stücke sind bis zum kommenden Wochenende in Stuttgart zu Gast – darunter führende Theater aus Europa mit wegweisenden Konzepten, die man nicht alle Tage zu sehen bekommt. Die Schweizer Gruppe Trickster erzählt zum Beispiel „Schneewittchen“ – allerdings muss der Besucher allein durch einen inszenierten Parcours wandern. Über einen Kopfhörer werden Geräusche und Texte eingespielt. „Es geht um die Frage, was für ein Leben das ist, wenn einem die Mutter an den Kragen will“, sagt Brigitte Dethier.

Wunderland des Kinder- und Jugendtheaters

Die Intendantin des Jes hat gemeinsam mit dem Intendanten Christian Schönfelder das Programm des Festivals zusammengestellt – und die beiden sind immer wieder in der belgischen Region Flandern fündig geworden. „Das ist derzeit das Wunderland des Kinder- und Jugendtheaters“, sagt Dethier. „Hier kommen quer durch alle Sparten wunderbare Produktionen heraus.“ Diesem Wunder will das Festival auf die Spur kommen – nicht nur mit Gastspielen, sondern auch mit begleitenden Diskussionen. So kommt die Gruppe Campo aus Gent nach Stuttgart. Sie hat sich mit der britisch-deutschen Performancegruppe Gob Squad zusammengetan für ein Stück, bei dem Jugendliche auf der Bühne stehen und Erwachsene spielen. Sie stellen sich in „Before your very Eyes“ Fragen dazu, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen, welche Entscheidungen sie im Lauf des Lebens zu fällen haben und was letztlich aus ihnen werden wird. Das Stück wurde sogar zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Aus Flandern kommen auch einige Tanzproduktionen – und weil der Tanz für die Kinder- und Jugendtheater noch ein neues Terrain ist, soll auf dem Festival auch darüber diskutiert werden, „was die Kriterien für gutes Tanztheater für Jugendliche ist“, wie Christian Schönfelder sagt. Denn die „Schöne Aussicht“ ist zugleich eine Art Arbeitstreffen. Neben den internationalen Gastspielen sind auch die Kinder- und Jugendtheater aus Baden-Württemberg eingeladen, um dem Publikum und sich gegenseitig ihre Stücke zu zeigen und über ihre Arbeit zu reden.

Zu den derzeit extrem erfolgreichen Regisseuren gehört Sebastian Nübling, der am Jungen Theater Basel „Punk Rock“ inszeniert hat. Das Stück über Konkurrenz und Misshandlungen an einer Privatschule wird am Eröffnungsabend gezeigt. Aber es gibt beim Festival auch „Begegnungen mit völlig Unbekannten aus Ungarn oder Afrika“, sagt Dethier und verspricht, dass es viel zu entdecken gibt – nicht nur im Tagblattturm, sondern auch in der Rampe, dem Wilhelma-Theater und im Nord.