Die Toprestaurants mehren sich in der Region Stuttgart. In der Saison 2017 zeichnete der „Guide Michelin“ 22 Adressen aus. Doch bedeutender als das Urteil der Gourmetführer ist für die Köche das Glück ihrer Gäste.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Wir hätten da eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Laut der 2017er-Ausgaben der Gourmetführer gibt es einen neuen Spitzenreiter in der Region. Allerdings steht das Olivo mit Küchenchef Nico Burkhardt nicht ganz oben auf unserer Liste, weil es aufgewertet worden wäre – etwa mit einem zweiten Stern des „Guide Michelin“, auf den viele schon lange warten. Nein, das Olivo steht deshalb an der Spitze, weil Rolf Straubinger mit seinem Burgrestaurant Staufeneck abgewertet wurde – im „Gault Millau“ von 17 auf 16 Punkte. Dies ist die schlechte Nachricht.

 

Manche Urteile sind relativ zu sehen

Nun ist das mit der Bedeutung von Bewertungen so eine Sache. Der „Gault Millau“ etwa spielt in der Gourmetszene längst nicht mehr eine so große Rolle. Laut einer Umfrage des Magazins „Sternklasse“ im Herbst 2015 unter 5000 Gastronomen liegt er im Ansehen nur auf Platz fünf. Auf Platz zwei hinter dem unantastbaren „Guide Michelin“ ist demnach der jüngste und ausführlichste aller Führer – der „Gusto“. Insofern sind manche Urteile relativ zu sehen, besonders die lächerlichen 13 Punkte für die Speisemeisterei. Wenn die Tester des „Gault Millau“ fair wären, hätten auch die Schwabenstube und das Top Air einen Punkt mehr. Marco Akuzun ist mit dem Flughafenrestaurant dennoch verdient nach oben geklettert.

Es gibt noch weitere gute Nachrichten: Vielleicht wird Stuttgart bald doch wieder in die Zwei-Sterne-Liga aufsteigen. Denn nachdem sich aus der Zirbelstube Sebastian Prüßmann gen Frankfurt verabschiedet hat, kommt nun Denis Feix. Der hatte zuletzt im Il Giardino in Bad Griesbach zwei Sterne. Außerdem gibt es zwei neue Sternerestaurants in der Region: Welcome back in unserer Liste, Michael Oettinger, in der ohne Stern kein Platz mehr ist. Und herzlich willkommen Ben Benasr!

Die Auszeichnung für die Gutsschenke im Schlosshotel Monrepos war erwartbar, seitdem die Familie Finkbeiner von der Traube Tonbach in Baiersbronn im Januar 2014 die Pacht in Ludwigsburg übernommen hat. Besonders, seitdem im Januar 2016 Ben Benasr als Küchenchef der Gutsschenke engagiert worden ist. Er war zuvor im Landhaus Stricker auf Sylt mit einem Stern und 18 Punkten. Die für das Haus Württemberg erkämpfte Auszeichnung – das Monrepos-Anwesen befindet sich im Besitz der Hofkammer – ist aber die erste eigene des 36-Jährigen. Benasr sagt: „Das Wichtigste ist der Stern. Das ist wie eine Medaille bei den Olympischen Spielen.“ Aber zügig ergänzt der Profi: „Die Gäste glücklich zu machen, ist mindestens genauso wichtig.“

Koch Benasr steht für eine weltoffene Küche

Und das ist im Schlosshotel Monrepos nicht einfach. „Die Gutsschenke ist eben eine Gutsschenke“, sagt Katrin Hosbein und meint: eine Traditionsadresse mit traditioneller Klientel. Sie ist mit ihrem Ehemann Ralph die Chefin vor Ort. Zuvor war das Direktionspaar im Colombi in Travemünde. Aber Ben Benasr bekomme viel Zustimmung für seine „sehr wirtschaftliche“ Arbeit, die sich aus „intelligent einkaufen“ und „alles verwerten“ zusammensetzt.

Für ihn ist sein neuer Job eine Art Heimkommen, auch weil seine Lebensgefährtin Kim Krehl stellvertretende Verkaufsdirektorin im Monrepos ist. Die Tochter von Volker Krehl, dem Ehrenpräsidenten der Meistervereinigung und Patron von Krehls Linde in Bad Cannstatt, hat Benasr im Erbprinz in Ettlingen kennengelernt. Später folgte sie ihm nach Sylt, bis sie das Heimweh wieder gen Süden gezogen hat. Und als Krehl im Schlosshotel Monrepos sagte, ihr Partner sei ein ganz guter Koch, habe man Benasr ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte.

Geboren ist Benasr in Tunesien, aufgewachsen in Abu Dhabi. Der Krieg in der Golfregion trieb die liberale Familie zurück nach Tunis, wo der Vater, ursprünglich Technischer Zeichner, eine Bäckerei eröffnete. Mit seiner Schwester führte Benasr zwei Jahre lang den elterlichen Betrieb, ehe er auf Schloss Weitenburg seine Ausbildung zum Koch absolvierte. Es folgten Schnupperphasen in französischen Spitzenküchen, unter anderem bei Superstar Joël Robuchon, bis Benasr nach Stationen in Fellbach, Avignon, Unterreichenbach, Ettlingen, Karlsruhe, Stuttgart und Sylt nun endlich in Ludwigsburg gelandet ist.

Ben Benasr ist original französisch geprägt, aber seine Küche ist weltoffen – mit mediterranen und orientalischen Einflüssen. Jüngst habe er in der Gutsschenke Falafel mit Purple-Curry-Jus angeboten und Begeisterung ausgelöst. Teamarbeit sei ihm ganz wichtig, „man kann nicht mit elf Ronaldos spielen“, sagt er als Hobbyfußballer. Nun, in seiner Küche sind ohnehin nur zwei weitere Ausgebildete und eine Küchenhilfe. Und wenn man ihn so sieht und hört, dann spürt man: Benasr ist gekommen, um zu bleiben.

Armin Karrer ist längst angekommen. Seit 13 Jahren ist der gebürtige Kufsteiner in Fellbach, seit mehr als 20 Jahren hat er einen Stern. Karrer ist der Altmeister in Fellbach, einer Stadt mit 45 000 Einwohnern und jetzt drei Spitzenrestaurants. 2015 kam der Stern für Philipp Kovacs im Goldberg, 2016 der für Michael Oettinger und sein Restaurant im Familienbetrieb, der leicht mit Karrers Haus verwechselt werden kann: hier Zum Hirschen, dort Hotel Hirsch. Aber, so Karrer: „Brotneid gibt’s nicht. Ich freue mich für Michael. Er und Philipp sind herausragende Köche, die es wirklich verdient haben.“

Bewertungen sind Sternekoch Karrer egal

Bei aller Freude: Karrer kann auch granteln – und das nicht zu Unrecht. Vom „Gault Millau“ etwa wird sein Gourmetrestaurant Avui seit Jahren mit wenigen Zeilen und ohne Wertung abgespeist, vermutlich auch, weil es „nur“ an vier Abenden geöffnet hat. Ohnehin scheint der Tester ein Problem mit Karrer zu haben und schrieb zu den zuletzt immerhin 16 Punkten in der 2015er-Ausgabe: „. . . auf die Garnitur aus dehydriertem Geknusper der vergangenen Molekularzeit könnten wir gut verzichten.“ Aber Bewertungen sind Karrer inzwischen egal. Er sagt: „Man braucht die Gourmetführer nicht. Viele verbreiten Unwahrheiten und testen nicht mehr.“ Dabei bezeichnet sich Karrer als „absolut kritikfähig“, aber eben auch ehrgeizig. „Ich bin keineswegs müde, gebe Gas und bin so gut wie nie.“

Das können wir nach einem Undercover-Besuch bestätigen, zumindest raucht und kracht und schäumt es nicht so sehr wie früher. Wichtiger als die Kritik ist Karrer ohnehin die Wirtschaftlichkeit, die er im gesamten Haus mit Hotelbetrieb und Hauptrestaurant – das bekommt mit seiner traditionelleren Ausrichtung 14 Punkte vom „Gault Millau“ – im Auge haben muss. „Welches Sternelokal ist denn jeden Abend ausgebucht?“, fragt Karrer, der schon Pläne für ein Restaurant der Zukunft hat. Und wie immer dieses dann auch aussehen mag, eines sei „ganz, ganz wichtig: Die Gäste müssen wählen können“.

Für eine höhere Auflösung klicken Sie bitte auf die Tabellen.