Air Berlin hofft auf Aufwind durch die Lufthansa-Tochter Eurowings, die ihr 35 Maschinen abnehmen will, um das eigene Geschäft auszubauen.

Frankfurt/Berlin - Trotz der geplanten Halbierung der Flotte und der Entlassung von bis zu 1200 Beschäftigten wird Air Berlin frühestens 2018 aus der Verlustzone fliegen. Das räumte Vorstandschef Stefan Pichler bei einer Telefonkonferenz ein. Bisher hatte der Sanierer für dieses Jahr eine schwarze Null beim operativen Gewinn vor Steuer und Zinsen (Ebit) versprochen.

 

Im harten Preiskampf am Himmel kann Air Berlin wie berichtet nicht mehr mithalten. Die Flotte der zweitgrößten deutschen Fluglinie soll nach Verlusten von mehr als einer Milliarde Euro in den letzten drei Jahren auf nur noch 75 Flieger fast halbiert und an den Basen Berlin und Düsseldorf konzentriert werden. Dazu soll die Lufthansa insgesamt 40 Maschinen samt Besatzung übernehmen, 35 davon sollen bei der Tochter Eurowings eingesetzt werden, die restlichen fünf bei Austrian Airlines. „Wir stehen jetzt am Anfang der Verhandlungen“ erklärte Eurowings-Chef Karl Ulrich Garnadt. Es sei daher viel zu früh, darüber zu spekulieren, welchen Betrag die Lufthansa für die sechsjährige Miete an Air Berlin zahlen wird noch auf welchen Strecken die Flugzeuge eingesetzt würden. Man müsse sich erst einmal über die genauen Bedingungen verständigen und könne dann planen, wie die zusätzlichen Maschinen vom dem Sommerflugplan 2017 an eingesetzt würden, sagte Garnadt. Bei Air Berlin war eine Zahl von 1,2 Milliarden Euro aufgetaucht, die man sich von dem Geschäft erwarte. „Dazu sage ich mal gar nichts“, sagte Garnadt.

Bisher betreibt Lufthansa Flotte mit 90 Flugzeugen

Auf jeden Fall aber wird das Leasing der Air-Berlin-Maschinen sowie die ebenfalls vom Lufthansa-Aufsichtsrat beschlossene Komplettübernahme von Brussels Airline dem Kranich-Ableger einen kräftigen Schub nach vorn geben. Bisher betreibt die Lufthansa-Tochter eine Flotte von 90 Flugzeugen. Dazu kommen dann, wenn alle Genehmigungen vorliegen und die Gespräche erfolgreich verlaufen, die 35 Jets von Air Berlin sowie knapp 40 Maschinen von Brussels. Binnen weniger Monate sollen die Jets umlackiert werden.

Mit einem Teil der Air-Berlin-Jets will Eurowings ab nächstem Jahr die schon angekündigte Basis am Münchner Flughafen aufbauen. Dort soll Eurowings gegen die Konkurrenz der Billigflieger Easyjet und Transavia punkten. Wohin die von Air Berlin übernommenen Jets künftig starten, entscheidet Eurowings. Das Unternehmen erhalte von Air Berlin keinerlei Start- und Landerechte, betonten beide Seiten. „Das würde das Wettbewerbsrecht verbieten“, sagte Garnadt.

Weitere 35 Ferienflieger von Air Berlin sollen in einem eigenen Geschäftsbereich zusammengefasst werden, hier wird nach Brancheninformationen mit dem Touristikkonzern Tui verhandelt. Man prüfe ,,strategische Optionen“, sagte Pichler lediglich. Offenbar ist das Geschäft bisher nicht besiegelt.

Die Tui-Flugtochter Tuifly hat 14 Boeing 737 an Air Berlin bis 2019 vermietet, der Vertrag kann angeblich um weitere zehn Jahre verlängert werden. Dem Vernehmen nach kassiert Tui dafür rund 100 Millionen Euro pro Jahr, die gefährdet wären, wenn Air Berlin zusammenbrechen würde. Wichtigste Basis im touristischen Geschäft von Air Berlin ist Mallorca, am Flughafen der Hauptstadt Palma besitzen die Berliner wertvolle Start- und Landerechte.

Klassenkampf-Szenario vermeiden

Offen ist, ob die Wettbewerbshüter den Aufteilungsplänen zustimmen. Beobachter rechnen mit möglichen Auflagen, da durch die Übergabe vieler Maschinen an Lufthansa der Ex-Monopolist auf vielen innerdeutschen Strecken zum alleinigen Anbieter würde und die Preise bestimmen könnte. Nur in Berlin und Düsseldorf will Air Berlin noch Maschinen stationieren und dort mehr Langstreckenflüge in die USA anbieten. Das dritte Drehkreuz Wien soll ebenso aufgegeben werden wie die bisherigen Basen Frankfurt, Köln/Bonn, Hamburg, Nürnberg, Paderborn, Leipzig und Zürich.

Der arabische Großaktionär von Air Berlin, die Staatsfluglinie Etihad Airways, hat offenkundig die Geduld mit dem defizitären Ableger verloren und verhandelt angeblich mit Tui über eine Lösung. Pichler lehnte Angaben dazu ab, ob Etihad weitere Finanzspritzen gibt oder Kredite absichert. Bisher haben die Araber, die knapp 30 Prozent halten, den Weiterbetrieb in Berlin schon mit Hilfen und Bürgschaften von mehr als einer Milliarde Euro gesichert. Etihad hat vor allem Interesse daran, Air Berlin als Zubringer in sein weltweites Netzwerk rund um die Basis Abu Dhabi im reichen Öl-Emirat einzubinden.

Bei der angekündigten Entlassung von 1200 der noch 8600 Mitarbeiter will Pichler ein „Klassenkampf-Szenario“ vermeiden. Man setze auf konstruktive Gespräche mit Betriebsrat und Gewerkschaften, bis Februar soll Einigung über die Kündigungen erreicht werden. Die weiteren Restrukturierungskosten beziffert der Manager auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Die Gewerkschaft Verdi befürchtet, dass der Leasingvertrag der Berliner mit Lufthansa allein nicht genügt. „Air Berlin muss sich strategisch anders aufstellen, um zu überleben“, warnt Vorstandsmitglied Christine Behle, die auch im Lufthansa-Aufsichtsrat sitzt. Nötig sei eine umfassende Neuausrichtung. Positiv sei, dass der Leasingvertrag tarifliche Beschäftigungsbedingungen sichere. Verdi werde den Umbau bei Air Berlin konstruktiv begleiten, aber „um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, kündigte die Gewerkschafterin an. Verdi vertritt sowohl das Boden- als auch das Kabinenpersonal bei Air Berlin, hat allerdings keinen Einfluss im Aufsichtsrat. Denn das Unternehmen ist nach britischem Recht organisiert und hat seinen juristischen Sitz in London.

Pichler selbst betonte, er sei weiterhin „hoch motiviert und voll fokussiert“. Das neue Geschäftsmodell sei seit einem Jahr entwickelt worden. Zuvor gab es Spekulationen, er werde wie einige erfolglose Sanierer vor ihm wohl bald abgelöst.