Noch schriller und unheimlicher: Erste Eindrücke von David Lynchs „Twin Peaks“-Fortsetzung.

Freizeit & Unterhaltung : Gunther Reinhardt (gun)

Stuttgart - Die Geschäfte in der Big Bang Bar laufen gut. Der Rockerclub im Süden von Twin Peaks hieß früher The Roadhouse. Und außer dem Namen hat sich nicht viel geändert. James Hurley schaut vorbei, dieser Kleinstadt-James-Dean, der weiterhin am liebsten Lederjacke trägt, obwohl er nach einem Motorradunfall noch ein bisschen ruhiger geworden ist. Shelly Johnson, die immer noch Männer um den Finger wickelt, sitzt mit Freundinnen in einer Nische und beschwert sich darüber, dass ihre Tochter in den falschen Typen verknallt ist. Und immer noch beschallt watteweicher Dreampop die Bikerbar. An diesem Abend stehen die Chromatics auf der in blaues Licht getauchten Bühne, und Sängerin Ruth Radele haucht traurigschön ins Mikrofon: „Shadow, take me down / Shadow, take me down with you!“

 

„In 25 Jahren sehen wir uns wieder“

Tatsächlich nimmt einen David Lynch bei der Fortsetzung der Serie „Twin Peaks“ wieder mit zurück in eine Schattenwelt – eine Schattenwelt, die er vor einem Vierteljahrhundert mit vielen offen Fragen hinter sich zurückgelassen hatte. Die Serie „Twin Peak“, die vom Mord an der Ballkönigin Laura Palmer erzählte und Mystery-, Krimi- und Soap-Elemente vermischte, stellte Anfang der 1990er die Fernsehwelt auf den Kopf. Als die Serie nach zwei Staffeln im Juni 1991 mit einem surrealen Finale zu Ende ging, versprach die tote Laura Palmer dem FBI-Agenten Dale Cooper: „In 25 Jahren sehen wir uns wieder.“ Jetzt wird dieses Versprechen eingelöst.

Die Rückkehr nach Twin Peaks erweist sich in den ersten Episoden, die in der Nacht von Sonntag auf Montag im US-Fernsehen ausgestrahlt wurden, als eine Serientrip, der sich noch seltsamer, gefährlicher und unheimlicher anfühlt, als der, zu dem einen damals David Lynch und Mark Frost mitnahmen. Und diesmal ist ihnen von den geheimnisvollen Wäldern umgebene Städtchen Twin Peaks nicht Schauplatz genug.

Die Reise geht zurück nach Twin Peaks, aber auch New York

In New York City etwa soll Sam (Benjamin Rosenfield) in einem Raum voller technischer Apparaturen einen leeren Glaskasten bewachen. Als er aber stattdessen mit seiner Besucherin Tracey (Madeleine Zima) auf dem Sofa herummacht, verfärbt sich die Box plötzlich dunkel, das Glas zersplittert, und die beiden werden von einem Schattenwesen angegriffen.

In Buckhorn, South Dakota, finden derweil Polizisten in einem grausig stinkenden Apartment im Bett den Kopf einer Frau und den Körper eines Mannes. Die am Tatort gefundenen Fingerabdrücke gehören dem örtlichen Schuldirektor Bill Hastings (Matthew Lillard). Und als ihn die Polizei abführt, ist die größte Sorge seiner Frau Phyllis (Cornelia Guest): „Aber die Morgans kommen doch heute zum Essen!“

Währenddessen bekommt in Twin Peaks Deputy Hawk (Michael Horse) einen Anruf von der Log Lady (Catherine Coulson, die während der Dreharbeiten einem Krebsleiden erlag), die ihm von ihrem magischen Holzklotz eine Nachricht übermittelt: Er müsse nach etwas suchen, das verloren gegangen ist. Und das habe mit dem Verschwinden des FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) zu tun.

Eine kuriose, grässlich-schöne Welt

Cooper, der nicht nur mit seiner kindlich-naiven Neugier und seiner grotesken Vorliebe für schwarzen Kaffee, Kirchkuchen und Douglastannen, sondern auch mit seinen kuriosen Ermittlungsmethoden das Herz der ersten beiden „Twin Peaks“-Staffeln war, ist nämlich ebenfalls verloren gegangen. Seit er sich am Ende der zweiten Staffel in einer Art Teufelspakt für die entführte Gewinnerin eines Schönheitswettbewerbs geopfert hat, sitzt er in einem surrealen David-Lynch-Labyrinth aus roten Vorhängen und Zickzackmustern fest, während in der wirklichen Welt sein Doppelgänger sein Unwesen treibt. Der böse Dale Cooper hat nichts mit dem adretten FBI-Agenten gemeinsam. Mit seinem strähnigen Haaren gleicht er eher Bob, dem mystischen Killer aus den ersten beiden „Twin Peaks“-Staffeln und erweist sich als brutaler, seelenloser Mörder.

Wie in der Originalserie taucht man auch jetzt wieder eingelullt von der Musik Angelo Badalamentis in eine kuriose Traumwelt ein, in der Schrecken und Slapstick nahe beieinander liegen: in eine grässlich-schöne Welt, in der Doctor Jacoby (Russ Tamblyn) immer noch diese rot-blaue Brille trägt, in der ein Stinktier das Leben des Hotelbesitzers Benjamin Horne (Richard Beymer) erschwert, in der Laura Palmers Mutter (Grace Zabriskie) vor dem Einschlafen Tierdokus schaut, bei denen Löwen Gnus auffressen, und in der Lucy Moran (Kimmy Robertson) vom Sheriffbüro immer noch denkt, dass alle Probleme der Welt mit einem Karton voller Donuts gelöst werden können.

Sendetermin: Die ersten vier „Twin Peaks“- Folgen sind auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Ticket zu sehen, ab 25. 5. strahlt Sky Atlantic HD die Serie donnerstags um 20.15 Uhr wahlweise auch auf Deutsch aus.