Die Brücken im Land sind in die Jahre gekommen. Beton bröckelt, Stahlträger erodieren und Fahrbahnen bekommen Risse. Trotzdem seinen sie sicher befahrbar – mit Einschränkungen.

Die baden-württembergische Bauwirtschaft schlägt Alarm. Rund 40 Prozent aller Brücken im Land sollen dringend sanierungsbedürftig sein. In einer Anfang des Jahres veröffentlichten Aufstellung des Ministeriums für Verkehr Baden-Württemberg wird das indirekt bestätigt. Darin sind alle Brückenflächen nach Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen in insgesamt sechs Zustandsklassen eingeteilt. Zwischen 30 und 40 Prozent der Bauwerke sind danach in einem befriedigenden bis ausreichenden Zustand. Nicht ausreichend werden knapp unter zehn Prozent aller Brücken an Bundes- und Landstraßen bezeichnet. Bei den Autobahnen sieht das noch einmal anders aus. Hier sind über 20 Prozent in einem nicht ausreichenden Zustand. Sehr gut bis gut werden nach dieser Erhebung nur knapp zehn Prozent der Brücken eingestuft.

 

Bislang noch keine Brückensperrung

„Unsere Brücken sind alle sicher befahrbar“, sagt Hermann Klyeisen. Bislang musste im Regierungsbezirk Stuttgart auch noch keine Brücke aufgrund von Schäden komplett für den Verkehr gesperrt werden. Durch die Zunahme des Schwerlastverkehrs gebe es aber Einschränkungen. Der Leitende Baudirektor ist zuständig für die Prüfung der rund 2700 Brückenbauwerke im Regierungsbezirk Stuttgart. Um die Sicherheit der Brückenbauwerke zu gewährleisten, gebe es ein umfangreiches Prüfungsszenarium. Das fange damit an, dass jede neue Brücke noch vor der eigentlichen Bauabnahme von Prüfingenieuren auf Herz und Nieren geprüft wird.

Diese Prozedur wiederhole sich danach alle sechs Jahre. Zwischen den Hauptpüfungen gebe es zusätzlich alle sechs Jahre eine einfache Prüfung. Außerdem werde alle sechs bis zwölf Monate die Brücke von der jeweiligen Straßenmeisterei in Augenschein genommen, erklärt der Leitende Baudirektor. Alle Prüfungsergebnisse werden zudem akribisch im SIB – Straßeninformationssystem Bauwerke erfasst. Die Prüfungen werden von eigenen Prüftrupps des Regierungspräsidiums und durch externe Ingenieurbüros durchgeführt.

Die meisten Brücken im Regierungsbezirk Stuttgart wurden zwischen 1965 und 1985 erbaut. Eigentlich sollten Brücken 80 bis 100 Jahre halten, doch durch die Zunahme des Schwerlastverkehrs hat sich der Zustand dieser Brücken schneller als angenommen verschlechtert. „Als diese Brücken gebaut wurden, gingen die Konstrukteure von ganz anderen Lastmodellen aus“, erläutert Hermann Klyeisen. Aber auch neuere Brücken sind gegen Verschleiß nicht gefeit. Zwar beeinträchtigt ein schlechter Fahrbahnbelag nicht die Tragfähigkeit einer Brücke, dennoch muss er in regelmäßigen Abständen erneuert werden. Vor allem in den Wintermonaten machen den Brücken im Land Wasser und Salz zu schaffen. Gelangt dieses zwischen Fahrbahnbelag und Abdichtung der Tragkonstruktion, kann es zu Betonschäden und Korrosionen kommen.

Auch eine Brücke hat Verschleißteile

Deshalb muss auch die Abdichtung regelmäßig ersetzt werden. Ein weiteres Verschleißteil sind die Lager, auf denen die Brü- cke aufgesetzt ist. Ihr Austausch ist aufwendig, da die Brücke angehoben werden muss. Diese Arbeiten werden meist in der Nacht erledigt, da dazu der Verkehr über die Brücke gesperrt und umgeleitet werden muss. Wird ein größerer Schaden an einer Brücke festgestellt, werden in der Regel sogenannte verkehrsbeschränkende Maßnahmen eingeleitet. Dazu gehören Geschwindigkeitsbeschränkungen für Lastkraftwagen auf 60 Kilometer pro Stunde, Tonnagebeschränkungen – hiermit ist das zulässige Gesamtgewicht des Lkw gemeint – oder eingeengte Fahrspuren. Ein Beispiel aus der Region Stuttgart: die Gumbenbachbrücke auf der B 27 zwischen Kornwestheim und Ludwigsburg. Aufgrund der Brückenschäden wurde nicht nur die Geschwindigkeit auf 60 Kilometer pro Stunde für den gesamten Verkehr reduziert, sondern auch die Fahrbahnen in beiden Fahrtrichtungen um den betroffenen Bereich verengt. Doch das ist nur eine Notlösung. Die Brücke muss abgerissen und neu gebaut werden, da sie in einem derart desolaten Zustand ist, dass sie nicht mehr saniert werden kann und stattdessen komplett erneuert werden muss. Das betrifft übrigens auch den mit 1350 Metern längsten Autobahnbrückenzug in Baden-Württemberg, den aus vier Brücken bestehenden Neckartalübergang auf der A 6 zwischen Neckarsulm und Heilbronn.

Der geplante Neubau der Gumbenbachbrücke zieht sich mittlerweile seit Jahren hin. „Am Geld liegt es nicht“, betont Hermann Klyeisen. Vielmehr seien noch nicht alle baurechtlichen Fragen im Rahmen des notwendigen Planfeststellungsverfahrens geklärt. Will heißen: Da der Verkehr an der bestehenden Stelle während der Bauzeit nicht einfach unterbrochen werden kann, muss direkt neben der alten Brücke die neue gebaut werden.

Doch das ist ein kompliziertes Verfahren, in das unterschiedliche Behörden involviert sind, die alle vor Baubeginn gehört werden müssen.