Kein Spieler wusste, was ihn nach dem Titelgewinn auf den Straßen Stuttgarts erwarten würde. Es war der pure Wahnsinn. Timo Hildebrand erinnert sich.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Ein kleines Bad in der Menge durfte Timo Hildebrand ja bereits direkt nach dem Abpfiff nehmen. „Ich bin zusammengesackt, die Jungs haben sich auf mich geschmissen, und ich bin kaum mehr rausgekommen“, erinnert sich der frühere Torhüter des VfB Stuttgart an den Moment, in dem der Titelgewinn 2007 feststand. Was er da noch nicht wusste: was die Mannschaft wenig später auf den Straßen Stuttgarts und am Schlossplatz erwartet.

 

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„Dass wir Meister geworden sind, war insgesamt ja eine Überraschung, daher war klar, dass die Leute ausflippen würden“, sagt der heute 38-Jährige, „was einen wirklich erwartet, weiß man in so einem Moment aber natürlich nicht.“ Es war einiges. Mehr als 200 000 Menschen waren auf den Beinen, um mit dem VfB den fünften Meistertitel zu feiern. Erst am Straßenrand auf der Fahrt des Autokorsos vom Stadion in Richtung Innenstadt, danach auf dem Schlossplatz, wo zuvor ein Public Viewing stattgefunden hatte. „Es war ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt Hildebrand, „einfach sensationell.“

Zu Fuß zum Schlossplatz

Der Korso startete am Stadion, Timo Hildebrand saß – analog zu seiner Position auf dem Spielfeld – im letzten Cabrio. Doch dort hielt es den Keeper nicht lange. „Im Auto vor uns saßen Marco Streller und Ludovic Magnin“, erinnert er sich, „mit denen konnte man am meisten Spaß haben.“ Also stieg er um. Irgendwann aber wieder aus. Mehr als vier Stunden lang ging es über die Mercedesstraße damals durch den Leuzetunnel auf die B 14 und dann in Richtung Bahnhof – den Timo Hildebrand schon nicht mehr erreichte. Wenige Meter vorher war ein Gang zur Toilette unvermeidlich, im Hotel am Schlossgarten traf der WM-Dritte von 2006 dann eher zufällig seine Familie. „Zurück ins Auto habe ich es dann nicht mehr geschafft“, sagt er.

Stattdessen machte er sich, begleitet vom Sicherheitsdienst, zu Fuß auf den Weg zum Schlossplatz, wo er der erste VfB-Spieler war, der mit den Fantastischen Vier auf der Bühne feierte. „Am liebsten“, denkt er sich manchmal, „würde ich heute noch da stehen.“ Viele VfB-Fans fühlen da nicht anders. „Immer wieder erzählen mir Leute, wie lange sie damals am Schlossplatz auf uns gewartet haben“, sagt Timo Hildebrand.

Schöner als am Brandenburger Tor

Der Torhüter hat den Verein nach der Meisterschaft verlassen, spielte in Valencia, Hoffenheim, Lissabon, auf Schalke und in Frankfurt. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2006 WM-Dritter und am Brandenburger Tor von einer Million Menschen gefeiert. „Das war speziell“, erzählt er – hält dem Vergleich mit der VfB-Meisterfeier aber nicht stand: „Mit meinem Herzensclub Meister zu werden – das war mein größter Moment.“ Den er sich selbst ermöglicht hat.

Am vorletzten Spieltag sicherte er seinem Team mit einer Wahnsinnsparade in Bochum das 3:2, der VfB übernahm die Tabellenführung, und Timo Hildebrand weiß: „Diese Szene war das Sinnbild für den Glauben an die Meisterschaft. Dieses Spiel war hoch emotional, wir haben nie aufgegeben – das war der Charakter des Teams.“