Der Fußball-Regionalligist Stuttgarter Kickers plant den finanziellen Befreiungsschlag, bei dem das Porsche-Tochterunternehmen MHP eine zentrale Rolle spielen soll.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Stutgart - Es hat Stuttgarter Fußballzeiten gegeben, in denen es hochbrisant war, den VfB und die Kickers gegeneinander antreten zu lassen. Das Wort „Freundschaftsspiel“ war wirklich nicht die richtige Bezeichnung für das Stadtderby. Heutzutage gehört diese Partie zur Normalität, gleich zweimal trafen sich der VfB und die Kickers in den vergangenen vier Monaten zu Testzwecken, zuletzt am Sonntag beim friedlichen 1:1 auf der Waldau.

 

Das Verhältnis zwischen dem Erst- und dem Regionalligisten ist mittlerweile entspannt, wozu auch eine familiäre Verbindung beitragen dürfte. VfB-Präsident Wolfgang Dietrich ist der Vater des Kickers-Aufsichtsrats Christoph Dietrich. Der Kickers-Sohn hat zuletzt nicht nur den Aufstieg des VfB aus einer besonderen Nahperspektive erlebt, sondern auch die erfolgreiche Ausgliederung der Profiabteilung. Dieser Schritt, der dem VfB bis zu 100 Millionen Euro einbringen soll, könnte – in einem natürlich deutlich kleineren finanziellen Rahmen – als Vorbild für die Kickers dienen. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung prüft der Regionalligist einen entsprechenden Schritt und hat offenbar im Hauptsponsor MHP schon einen strategischen Partner gefunden. Auf eine entsprechende StZ-Anfrage hat MHP bisher noch nicht geantwortet. Neben der Porsche-Tochterfirma, die vor allem in der Management und IT-Beratung tätig ist, soll noch ein weiteres Unternehmen aus der sogenannten Automotive-Branche als zweiter großer Investor Anteile kaufen.

Das Fazit: So kann es nicht weitergehen

„Zurzeit hat die Planung für die kommende Saison Priorität, aber natürlich machen wir uns Gedanken, wie wir uns zukunftsfähig aufstellen“, sagt der Kickers-Präsident Rainer Lorz. Die Ausgliederung sei eine Option, so der Jura-Professor.

So wie bisher kann es nicht weitergehen, das war das sportliche und finanzielle Fazit nach der letzten Hauptversammlung beim SV Stuttgarter Kickers mit seinen 2270 Mitgliedern. Den Viertligisten machen Schulden in Höhe von rund 2,7 Millionen Euro schwer zu schaffen. Dazu kommt ein Darlehen bei der Quattrex Sports AG. Gegründet wurde die Quattrex Sports AG einst von Wolfgang Dietrich, der sich mittlerweile aus dem Unternehmen zurückgezogen hat. Sein Sohn Christoph fungiert dort noch als Aufsichtsratsvorsitzender. Die Kickers brauchen Geld – zum einem, um den bedrohlichen Schuldenberg abzubauen und zum anderen, um mit den passenden Transfers der finanziellen Todeszone Regionalliga zu entkommen. Dauerhaft ist der Verein, wie einige andere Leidensgenossen mit höheren Ansprüchen, in der vierten Liga nicht überlebensfähig. Eine Ausgliederung könnte so zum Problemlöser werden, vielleicht sogar zum Befreiungsschlag in einer derzeit finanziell verfahrenen Situation. Die Kickers sollen sich von einer Umwandlung der Rechtsform Einnahmen von bis zu 15 Millionen Euro versprechen. Unklar ist allerdings noch, wie hoch der Unternehmenswert des eingetragenen Vereins angesetzt wird und wie viel Prozent der Anteile aus der Hand gegeben werden müssen, um auf den anvisierten Betrag zu kommen.

Der SV Waldhof hat es vorgemacht

Ein Traditionsverein besitzt schon allein aufgrund seiner Vergangenheit, der treuen Fans und des Stellenwerts in der Stadt einen Wert. Darauf hat auch Kickers-Ligakonkurrent SV Waldhof gebaut. Anfang des Jahres vollzog der Club die Ausgliederung in eine Spielbetriebs-GmbH. Vor zwölf Monaten stimmten 94 Prozent der bei der Versammlung anwesenden Waldhof-Mitglieder diesem Schritt zu. Das waren dann noch einmal zehn Prozent mehr als beim VfB. Was sich mit einem höheren Mannheimer Leidensdruck erklären ließe, der wiederum mit dem bei den Kickers vergleichbar ist.

Auf den Weg in die ausgegliederte Zukunft hat sich in Rot-Weiß Essen gerade ein weiterer Verein mit glanzvoller Vergangenheit und glanzloser Gegenwart gemacht. Schon bald soll bei diesem ehemaligen Erstligisten die Mitglieder über die Ausgliederung abstimmen. Die Kickers werden dann wohl folgen.