Die Affenforscherin und Naturschützerin hat in Stuttgart über ihr Leben und ihre Hoffnungen gesprochen.

Stuttgart - Die Begrüßung war passend zum Abend: Mit einem gekonnt intonierten Schimpansenruf „Huhuhuhuhu“ führte Jane Goodall ihr Publikum in ihren Vortrag ein: „Reasons for Hope“, also Gründe für Hoffnung, war das Thema, mit dem die Ikone des Natur- und Umweltschutzes ihre Zuhörer faszinierte. Bei der Veranstaltung in der Stuttgarter Staatsgalerie ging es natürlich um ihr Leben als Schimpansenforscherin und ihre Wandlung zur Natur- und Umweltschützerin, die sie seit 1986 ist. Aber es ging auch um ihre Herzensanliegen und ihre Hoffnungen – und um ihre Begeisterung, mit der sie weltweit vor allem auch bei Kindern und Jugendlichen für Nachfolger wirbt.

 

Tiere haben sie schon als kleines Mädchen fasziniert. Ihre Mutter hat das stets gutgeheißen, wofür sich Jane Goodall immer wieder bedankt. Vom Urwald und von Afrika hat die Jungforscherin immer geträumt. Auch dabei hat sie ihre Mutter unterstützt: „Wenn du das wirklich willst, dann findest du eine Gelegenheit dazu – gib niemals auf“, erinnert sich Goodall, die diesen Satz zu einer ihrer Botschaften an „die jungen Leute in aller Welt“ gemacht hat. Sie hat es tatsächlich geschafft, obwohl das Geld nicht für ein Studium, sondern nur für eine Ausbildung als Sekretärin gereicht hat. Doch sie ergriff die Gelegenheit, als sie von einem Schulfreund nach Kenia eingeladen wurde: Um das Geld für die Überfahrt zusammenzubekommen, arbeitete sie als Kellnerin – und reiste nach Afrika.

Tiefe Einblicke in das Schimpansenleben

Dort kam sie dann mit dem berühmten Paläologen Louis Leakey in Kontakt. Der Entdecker von „Lucy“, sozusagen der Urmutter der Menschheit, wollte mehr über die nächsten Verwandten des Menschen wissen. Und so schickte er die junge Frau, die mit großem Wissensdurst alles über Afrika und die dortige Tierwelt in sich eingesogen hatte, in den Urwald nach Tansania. Dort sollte sie Schimpansen beobachten – und das obwohl – oder vielleicht gerade weil – Goodall nicht studiert hatte und damit unvoreingenommen war.

Doch das war alles andere als einfach. Als endlich das nötige Geld und die Erlaubnis, die Tiere zu beobachten, da waren und die Forschung beginnen konnte, da nahmen die Schimpansen Reißaus, wenn sie beobachtet wurden. Doch schließlich zahlte sich die Geduld aus: Jane Goodall bekam bis dahin ungeahnte Einblicke in das Leben dieser Menschenaffen: wie sie leben und schlafen, sich knuddeln und sich umeinander kümmern, wie gute und schlechte Mütter mit ihrem Nachwuchs umgehen – und wie die Affen Kämpfe und sogar Kriege austragen. „Das war schrecklich anzusehen“, erinnert sich Jane Goodall – vor allem wenn unter den Opfern Tiere waren, die sie gut gekannt hatte.

Promotion ohne Studium

Ihr Leben mit den Schimpansen und ihre neuen Erkenntnisse zum Zusammenleben dieser Menschenaffen wurden schnell weltbekannt. Und so kam es, dass sie – ohne Studium – an der ehrwürdigen Cambridge-Universität ihren Doktor machen durfte. Doch dort bekam sie zunächst heftigen Gegenwind. So könne man Verhaltensforschung nicht betreiben: Tieren Namen statt Nummern geben und Affen Emotionen wie Furcht oder Trauer zuschreiben. Aber die Jungforscherin hatte in ihrer Kindheit einen wundervollen Lehrer: ihren Hund. Und der hat sie, so bekräftigt sie, darin bestätigt, dass ihre Professoren „völlig falsch“ lagen. „Die Dinge haben sich hier so verändert“, sagte sie heute. Und sie berichtet, wie die Wissenschaft immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen Tieren – nicht nur Schimpansen – und Menschen erkennt.

Ihre Forschung lief gut, sie war eine anerkannte Verhaltensbiologin – dann kam das Jahr 1986. Damals hatte sie an einer Tagung über Schimpansen teilgenommen, bei der auch über die vielfältigen Bedrohungen berichtet wurde, denen diese Tiere ausgesetzt sind. „Ich bin als Wissenschaftlerin zu dieser Tagung gekommen und habe sie als Aktivistin verlassen“, berichtet Goodall.

„Wir richten unseren Planeten zugrund“

Fortan setzte sie sich, auch als UN-Friedensbotschafterin, für ihre Schützlinge ein – und für die Menschen, die in der Umgebung der Schutzgebiete leben: „Die Leute dort kämpfen ums Überleben“, sagt sie und betont, wie wichtig es sei, diese Leute als Mitstreiter für den Naturschutz vor Ort zu gewinnen. Auch kämpft sie gegen Tierversuche: „Wir müssen hier andere Wege finden.“ Große Anliegen sind ihr zudem Umweltschutz und Klimaerwärmung: „Wir richten unseren Planeten zugrunde.“ Dabei klagt sie die Verantwortungslosigkeit der Menschheit schonungslos an: „Es heißt, wir haben die Erde von unseren Kindern geborgt. Doch nun muss man sagen, dass wir unseren Kindern die Zukunft stehlen.“

Doch auch mit ihren beinahe 83 Jahren hat sich Jane Goodall ihren Optimismus und ihre mitreißende Art bewahrt. „Meine größte Hoffnung sind die jungen Leute“, sagt sie. Hier setzt das von ihr ins Leben gerufene Programm „Wurzeln und Schößlinge“ für den Nachwuchs an.

Zum Schluss zeigt sie eine kleine, aber sehr bewegende Szene aus ihrem Leben. Dabei soll eine Schimpansin namens Wounda, die als Jungtier entsetzliches Leid erlebte und nur knapp dem Tod entronnen ist, in einem Refugium in freier Wildbahn ausgesetzt werden. Bevor Wounda ihren neuen Lebenraum erkundet, umarmt sie nicht nur ihre direkte Betreuerin, eine Tierärztin, sondern auch Jane Goodall, die sie vorher gar nicht gekannt hatte.

Einsatz für die Umwelt

Engagement
Seit 1986 setzt sich Jane Goodall in vielfältiger Weise für Umwelt-, Naturund Tierschutz ein. Dabei reichen ihre Aktivitäten heute weit über den Schutz von Schimpansen hinaus, deren Sozialleben sie über viele Jahre hinweg in freier Natur erforscht hat.

Institute
1977 gründete Jane Goodall zusammen mit Mitstreitern das Jane-Goodall-Institut. Mittlerweile gibt es Niederlassungen in zahlreichen Ländern – in Deutschland ist es in München. „Zentrales Motiv unserer Arbeit ist die Förderung des respektvollen Umgangs mit Menschen, Tieren und der Natur“, heißt es auf der Webseite der Institution. Ziele sind ein umfassender Natur- und Artenschutz, die Bildung in nachhaltiger Entwicklung und globale Entwicklungszusammenarbeit.

Kinder
1991 legte Jane Goodall in Tansania den Grundstein für die Aktion „Roots & Shoots“, also Wurzeln und Schößlinge. Wie es heißt, ist sie inzwischen in mehr als 100 Ländern aktiv. Dabei sollen insbesondere Kinder und Jugendliche eigene Ideen und kleine Projekte entwickeln, die zum Wohle von Menschen, Tieren, der Natur und der Umwelt sind. Die zentrale Botschaft ist, dass jeder Einzelne etwas bewegen kann.

Projekte
Das Jane-Goodall-Institut in München unterstützt verschiedene Projekte, zu denen auch die „Arterhaltung Dunkle Biene“ gehört. Sie gilt als einzige ursprünglich in Deutschland heimische Unterart der Honigbiene Apis mellifera. Nachdem sie durch importierte Rassen verdrängt wurde, soll sie nun wieder angesiedelt werden.