Das Wilhelmspalais hat sich in der kurzen Zeit der Zwischennutzung zu einer etablierten Kultureinrichtung entwickelt. Dennoch muss am Wochenende Abschied genommen werden. Im StZ-Interview lassen die Betreiber Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod die vergangenen Monate Revue passieren.

Stuttgart – - Das Wilhelmspalais hat sich schon nach gut 15 Monaten seiner Zwischennutzung zu einer etablierten Kultureinrichtung entwickelt. Trotzdem muss am Wochenende Abschied genommen werden von Kunstausstellungen im ersten Stock, von Filmvorführungen im Max-Bense-Saal und den kleinen Singer-/Songwriter-Konzerten auf der Freitreppe. Im Interview sprechen die Betreiber Stefan Mellmann und Thorsten Gutbrod über die vergangenen Monate, über die Kulturszene der Stadt und die Faszination von stark befahrenen Straßen.
Herr Mellmann, Herr Gutbrod, nur noch wenige Stunden bis das Wilhelmspalais schließt. Aber nicht ohne großen Knall, oder?
Mellmann Das stimmt. Wir haben für die große Abschlussparty viele Menschen eingeladen, die hier mitgewirkt haben in den vergangenen Monaten – Künstler, Musiker, Bands.
Gutbrod Wie immer ist alles sehr improvisiert (lacht). Wir haben Ausstellungen, gleichzeitig spielen Bands – aber das war immer Teil unseres Konzepts. Wenn wir drei Jahre im Voraus planen würden, wer weiß, vielleicht tötet das alles. Wir haben immer versucht, alles unkonventionell zu halten: die Feuerwehr soll nicht kommen müssen und die Wände dürfen nicht beschmiert werden – sonst haben wir den Künstlern viele Freiheiten gelassen.
War der Unterschied, die Wagenhallen oder das Wilhelmspalais zu bespielen, groß?
Mellmann Inhaltlich gibt es schon viele Überschneidungen. Wir wollten in erster Linie ein offenes Haus für jedermann sein. Wir wollten nicht dogmatisch eine bestimmte Szene ansprechen, da bin ich auch bei den Wagenhallen kein Fan davon. Deshalb waren die Veranstaltungen an jedem Abend unterschiedlich. Ganz am Anfang unserer Zwischennutzung noch hat Wolfgang Schuster im Foyer eine Rede gehalten, während im Hintergrund die Punks zu einer anderen Veranstaltung im Max-Bense-Saal gelaufen sind. Und das ganz ohne Theater. Das waren gute Monate, so ein Ort für Kultur ist sehr wichtig für die Stadt.
Gutbrod Klar, es gibt schon Kulturorte in Stuttgart – aber hier war alles freier und verrückter. Vieles hat am Ende nicht so hingehauen, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber das ist das Schöne an einer Zwischennutzung, dass man einfach loslegt, ohne viel zu überlegen, und dann an den Stellschrauben dreht. Auch unser Marketing-Budget ist wahrscheinlich das kleinste der Stadt. Am Anfang wollten hier Leute noch ihre Bücher abgeben, bis sich unsere Zwischennutzung herumgesprochen hat.
Lange kann das aber nicht der Fall gewesen sein. Vor allem an schönen Tagen war die Treppe vor dem Wilhelmspalais brechend voll – und das direkt an der Straße.
Gutbrod Ja, irgendwie wollen die Leute an der Straße sitzen. Dabei dachte ich, das würde zu einem Problem. Jetzt denke ich, vielleicht bräuchten wir an den Wagenhallen auch eine große Straße.
Mellmann Im Wilhelmspalais hatten wir schon den großen Vorteil, dass wir mitten in der Stadt waren und Laufpublikum angezogen haben. Da sind Konzerte zu richtigen Festivals geworden. Außerdem ist hier einer der schönsten Orte, von denen aus man den Sonnenuntergang sehen kann.
Gutbrod Da müssen wir uns wohl bei König Wilhelm bedanken.