Wie sieht die Zukunft des Motorsports aus? Der Automobil-Experte Willi Diez aus Geislingen sieht in der Formel E eine hervorragende Chance für die Auto-Konzerne.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Der Geislinger Automobil-Experte Willi Diez ist überzeugt davon, dass die Formel E der Elektromobilität in Deutschland einen wertvollen Vorreiterdienst erfüllen kann.

 
Herr Diez, haben Sie ein Formel-E-Rennen schon live gesehen?
Am Fernseher ja, vor Ort noch nicht – was ja auch an den Austragungsorten liegt, die nicht gerade um die Ecke sind. Wenn ich die Rennen sehe, kommt stets ein Monaco-Feeling auf, weil die Autos auf Stadtkursen fahren. Das finde ich gut, weil es der Serie einen besonderen Kick verleiht.
E-Mobilität und Ballungszentren passen ja bestens zusammen in Zeiten, da in Stuttgart über ein Diesel-Fahrverbot diskutiert wird.
Absolut. Es ist ein Zeichen, das sich an Menschen wendet, die dem Auto mit Verbrennungsmotor kritisch gegenüberstehen. Die Formel E demonstriert: Wir machen das, und zwar lokal emissionsfrei.
Ist es für die Auto-Konzerne nicht fast schon Pflicht, an der Formel E teilzunehmen?
Man muss dabei in der Historie zurückgehen. Zu Beginn waren Rennen ein wesentliches Instrument, um das Auto für die breite Masse populär zu machen, um den Leuten den Abschied vom Pferd schmackhaft zu machen. Daran erinnert man sich nun, indem man mit einer spektakulären Rennserie ein neues Antriebskonzept in den Fokus rückt – und so den Menschen zu zeigen, wie ein Elektroauto fährt.
Es herrscht noch immer das Vorurteil vor, dass E-Autos lahme Kisten sind.
Genau, aber das stimmt nicht. Ich fahre selbst häufig Elektroauto und kann den Fahrern anderer Autos an jeder Ampel beweisen, dass man sehr sportlich beschleunigen kann. Diese Dinger gehen ab wie der Teufel und können das Vorurteil leicht zerstreuen, dass sie nur etwas für Opas sind.
Stimmt, in der Beschleunigung von 0 auf 100 ist die Formel E mit drei Sekunden kaum langsamer als die Formel 1. Eigentlich logisch, dass Mercedes und Porsche, die im Rennsport zu Hause sind, dort einsteigen werden.
Porsche hat stets darauf hingewiesen, dass sie Hybrid-Modelle mit Elektromotor haben, deshalb hat mich der angekündigte Einstieg für 2019 nicht überrascht. Mercedes ist in der Formel 1 dominant – wenn sie 2019 in die Formel E einsteigen, wollen sie dort ebenfalls siegen, aber das ist nicht einfach.
Die Formel E könnte zudem als Testfeld herhalten für Entwicklungen für die Serie. In der Formel 1 ist der Transfer eher gering.
Ich bin nicht so tief in den Fahrzeug-Konzepten drin, aber allgemein gesagt: Das E-Auto steht ganz am Anfang der Entwicklung, es sind viel größere Entwicklungssprünge möglich als beim Verbrenner, der seit über 100 Jahren existiert und bei dem nur noch ganz kleine Fortschritte möglich sind. Die größeren Potenziale des E-Autos könnte man in einer Rennserie gut testen.
Wird die Formel E die Formel 1 ablösen?
Ja. Wenn kein Verbrennungsmotor mehr auf Straßen fährt, wird es auch keine solchen Rennen mehr geben. Global betrachtet, wird das wohl erst 2050 eintreten. Ich sage aber auch nein, weil es eine sehr lange Übergangszeit geben wird, denn auch die Formel 1 entwickelt sich weiter. Es wird also eine Koexistenz über Jahrzehnte geben.
München könnte 2018 Austragungsort werden – dort wären Sie dabei, oder?
München wäre sicher ein Erlebnis, nach Stuttgart wird die Serie ja wohl nicht kommen. Im Grunde gehört es heute zur automobilwirtschaftlichen Allgemeinbildung, ein Formel-E-Rennen gesehen zu haben.