Gesucht werden zwei neue Chefs für die Wirtschaftsfördergesellschaft, die den Südwesten weltweit als Wirtschaftsstandort vermarktet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Merkwürdigkeiten in der Stellenanzeige offenbarten sich erst auf den zweiten Blick. Weder enthielt sie eine Bewerbungsfrist, noch einen Termin für den Amtsantritt. Dabei war der Auftraggeber, für den die Stuttgarter Personalberatung Dr. Heimeier & Partner inserierte, ein hochseriöser: Baden-Württemberg International (BW-I), die Wirtschaftsfördergesellschaft des Landes.

 

Gesucht werden zwei neue Chefs für die 50-Mitarbeiter-Organisation, die den Südwesten weltweit als Wirtschaftsstandort vermarktet. Die Verträge der beiden alten, des Geschäftsführers Michael Hagenmeyer und seines Vizes Herbert Neuland, laufen nämlich zum Jahresende aus. Das eröffnet der grün-roten Regierung die Möglichkeit, BW-I gleich doppelt neu auszurichten: personell und strukturell. Laut Koalitionsvertrag haben sich die Partner vorgenommen, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Wirtschaftsförderung zu verbessern. Baden-Württemberg International soll dabei eine Art Dachfunktion übernehmen und zusätzlich als "zentrale Innovationsplattform" des Landes dienen.

Nach Mappus' Abwahl begann eine Hängepartie

Doch es hat auch seine Tücken, wenn ein eingespieltes Team gleichzeitig beide Köpfe verliert. Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung erwog deshalb, den Wechsel etwas abzufedern. Der 63-jährige Neuland wollte in jedem Fall ausscheiden, um in seinen letzten Berufsjahren noch einmal etwas ganz Neues anzupacken. Hagenmeyer (63) als Vorsitzender der Geschäftsführung aber wäre dem Vernehmen nach bereit gewesen, noch ein oder zwei Jahre dranzuhängen. Ende vorigen Jahres sollte im Aufsichtsrat über die Personalien diskutiert werden. Doch der damalige Aufsichtsratsvorsitzende und Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) nahm den Punkt kurzfristig von der Tagesordnung - offenbar auf Geheiß des seinerzeitigen CDU-Ministerpräsidenten. Stefan Mappus, vermuten Eingeweihte, habe auf der Position einen eigenen Mann installieren wollen.

Nach Mappus' Abwahl begann eine Hängepartie. Monatelang blieb unklar, ob die neue Landesregierung mit Hagenmeyer weitermachen würde. Der parteilose BW-I-Chef, seit über 20 Jahren im Amt, ist schließlich eine Institution im Südwesten; "Mr. Standort" wird er respektvoll genannt. Sein Elan ist ungebrochen, für 2010 legte er gerade erst eine Rekordbilanz vor. Klarheit gab es erst kurz vor der Sommerpause, als der Aufsichtsrat unter Leitung des neuen Vorsitzenden Nils Schmid (SPD) tagte. Man wolle nun doch beide Toppositionen neu besetzen, entschied der Finanz- und Wirtschaftsminister.

Aspiranten für den Chefposten

Das erleichtert jedenfalls den Proporz zwischen Grünen und Roten. Wie auf andern Feldern auch wachen die Koalitionspartner bei BW-I eifersüchtig über ihren Einfluss. "Da wird hart verhandelt", heißt es. Informell hat sich die etwas stärkere Ökopartei das Vorschlagsrecht für den ersten Mann gesichert, die Genossen dürfen den zweiten empfehlen. Für den Vizepremier Schmid, in dessen Ressort die Wirtschaftsförderung fällt, war diese Kröte offenbar schwer zu verdauen. Formal gibt es deshalb künftig zwei gleichberechtigte Geschäftsführer, von denen einer freilich "Sprecher" und der andere nur stellvertretender Sprecher ist. Immerhin wird ihm die neu hinzukommende "Innovationsplattform" zugeschlagen.

Beide Parteien haben offenbar schon Aspiranten für die Chefposten im Blick. Bei den Grünen soll es ein im internationalen Marketing erfahrener Experte sein, bei der SPD ein Fachmann aus der Ministerialbürokratie. Von dieser Vorfestlegung steht natürlich nichts in der Stellenanzeige, die unter anderem "gute Kenntnisse des Wirtschaftsstandortes" und "sehr hohe kommunikative Kompetenz" verlangt. Doch der Berater Heimeier hat eine gewisse Übung darin, solche Besetzungsverfahren diskret und formal sauber im Sinne des Landes zu steuern. Nur selten gibt es dabei Ärger wie 2009 bei der Auswahl des neuen Tourismuschefs, die renommierte Interessenten als abgekartetes Spiel empfanden.

Chefposten sollen nahtlos neu besetzt werden

Bis Mitte Oktober soll unter den Bewerbern eine Vorauswahl getroffen werden, die sich dann der Findungskommission vorstellen darf. Eine gewisse Unsicherheit besteht noch darin, ob auch die Gesellschafter aus der Wirtschaft mitspielen. Sie könnten sich ihr Plazet zu den Favoriten der Parteien durch Zugeständnisse beim strukturellen Umbau versüßen lassen, hört man. Mit Spannung wird daher erwartet, ob die schon von früheren Regierungen angestrebte Bündelung der Aktivitäten diesmal gelingt - oder wieder "entschärft" wird.

Ziel der Landesregierung ist es übrigens, die Chefposten zum Jahreswechsel möglichst nahtlos neu zu besetzen; ein Führungsvakuum soll nicht entstehen. Schon das lässt erahnen, das man nicht wirklich mit Bewerbern von außen rechnet: Externe "hochqualifizierte Persönlichkeiten", nach denen in der Annonce gefahndet wird, sind normalerweise nicht innerhalb weniger Wochen verfügbar. 

250 Unternehmensansiedlungen im Südwesten

Historie: Baden-Württemberg International ist 2004 aus der Gesellschaft für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (GWZ) hervorgegangen. Frühester Vorläufer war die 1984 gegründete Exportstiftung. Gesellschafter sind neben dem Land und der L-Bank die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und der Landesverband der Industrie.

Bilanz: In den vergangenen zehn Jahren haben die Wirtschaftsförderer nach eigenen Angaben zu 250 Unternehmensansiedlungen im Südwesten beigetragen. Zugleich begleiteten sie rund 2500 Firmen aus dem Land in mehr als 50 Staaten. Die gut 50 Mitarbeiter setzen jährlich etwa 15 Millionen Euro um.