Die Baugenossenschaft errichtet an der Elbestraße in Münster ein Mehrgenerationen-Haus. In diesem Monat ziehen die ersten Mieter ein. Bewerber für die Wohnungen gab es viele.

Münster -

 

Als die Baugenossenschaft Münster vor zwölf Jahren das Gebäude an der Elbestraße 120 bis 124 erworben hat, war klar, dass der Bau mit seinen „Einfachstwohnungen“ aus den 1920-er Jahren in der Form nicht zu halten war. Von langer Hand setzte die Genossenschaft deshalb einen Ersatzbau ins Werk, der nicht nur zeitgemäßen Energie- und Wohnstandards, sondern auch neuen Erfordernissen genossenschaftlichen Wohnens genügt: ein Mehrgenerationen-Haus mit 22 Wohneinheiten, davon sieben für altersgerechtes Wohnen. Die Wohnungen bestehen aus einem bis vier Zimmern, und mit einem „Schaltzimmer“ könnte auch einer größeren Familie eine Fünf-Zimmer-Wohnung angeboten werden.

In diesem Monat ziehen die ersten Mieter ein. Als der Bau am Tag der Genossenschaften der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war der Andrang groß. Neugierige und Mitglieder strömten herbei, vor allem aber der Pulk der Bewerber um eine der Mietwohnungen: dreimal so viele wie Wohnungen zur Verfügung stehen.

Für Michael-J. Rosenberg-Pohl, geschäftsführender Vorstand, ist es kein Geheimnis, was genossenschaftliches Wohnen so attraktiv macht: „Jeder will gerne günstig, also bezahlbar wohnen. Wir sind mit dem Mietpreis zwei bis drei Euro unter dem Stuttgarter Mietspiegel.“ Die Miete ist aber nur der erste Aspekt. Hinzu kommt ein spezieller Mehrwert genossenschaftlichen Wohnens. Denn wer eine Genossenschaftswohnung ergattert, bekommt ein Dauerwohnrecht, kann nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Satzung gekündigt werden. Etwa bei mutwilliger Zerstörung. Schließlich ist der Mieter, der Mitglied der Genossenschaft sein muss, zugleich Miteigentümer der Wohnung und kommt so in den Genuss eines Wohnrechts auf Lebenszeit.

Interessenten werden genau unter die Lupe genommen

Mitgliedschaft allein genügt nicht: „Wer bei uns wohnt, der wohnt in einer Hausgemeinschaft. Da muss die Zusammensetzung passen“, erklärt Rosenberg-Pohl. In Bewerbungsgesprächen wird deshalb „die Interessenlage“ unter die Lupe genommen: „Wie will jemand wohnen? Wie tickt ein Interessent? Will er mit Nachbarn zusammenwohnen oder doch lieber anonym und für sich? Auch die gemischte Altersstruktur spielt eine Rolle. Vor allem sollte eine gewisse Identifikation mit dem Genossenschaftsgedanken vorhanden sein“.

Solidarität: Das ist die Leitidee. Selbsthilfe, Selbstverwaltung, Selbstverantwortung bilden die drei Säulen. „Was der Einzelne nicht vermag, das vermögen viele.“ Das war der Kernsatz von Raiffeisen und Co., den Visionären der Genossenschaftsidee. Und das gilt auch für die 1919 gegründete Baugenossenschaft Münster mit ihren 1200 Mitgliedern, die das gemeinnützige Bauen tragen. Gleichwohl ist die Baugenossenschaft ein Wirtschaftsbetrieb: „Aber wir spekulieren nicht mit Wohnraum. 90 Prozent der Einnahmen aus den 650 Wohneinheiten im Eigentum der Genossenschaft werden reinvestiert“, betont Rosenberg-Pohl. 14 Millionen flossen so in den vergangenen fünf Jahren direkt in den Bestand: „Das ist ein Gegenmodell zum rein kommerziellen Immobilien-Gewerbe. Auch deshalb erlebt die Genossenschaftsidee eine Renaissance – auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel dem Energiesektor. Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht die Rendite.“

So versteht Rosenberg-Pohl die Genossenschaft „als eine große Familie. Wir sind Netzwerker. Wenn jemand runterfällt, wird er aufgefangen. Und wer den Genossenschaftsgedanken versteht, für den ist Integration kein Thema. Ich bin überzeugt, dass die Genossenschaftsidee Zukunft hat.“ Dann lacht der Betriebswirtschaftler, der im Studium das Genossenschaftswesen als Schwerpunkt hatte: „Eigentlich bin ich ein verhinderter Sozialarbeiter.“