Beim Blindenfußball wird viel mehr geredet und auch zugehört als beim Fußball, der von Sehenden gespielt wird. Und es ist auch etwas verletzungsgefährlicher: man kann schon mal umgerannt werden. Bernhard Schetezka, ein Bundesliga-Schiedsrichter beim Blindenfußball, liebt seinen Job trotzdem.

Rutesheim - In Spanien und Brasilien, wo Blindenfußball ursprünglich herkommt, gibt es schon seit mehr als 20 Jahren eine Blindenfußball-Bundesliga, während sich der Sport in Deutschland nur langsam verbreitet, da viele Menschen gar nichts davon wissen. In Deutschland gibt es insgesamt neun Mannschaften. Zwei Mannschaften treten mit jeweils fünf Spielern gegeneinander an: immer vier Spieler und ein Torwart. Alle vier Feldspieler sind blind oder haben nur noch ein geringes Sehvermögen, während der Torwart sehen muss. Um für alle Feldspieler die gleichen Voraussetzungen zu schaffen, werden allen die Augen mit sogenannten Eye-Pads abgeklebt, und sie spielen dann nur noch nach Gehör.

 

Es gibt drei Blindheitsgrade, die bei einer Untersuchung festgestellt und vom Arzt bescheinigt werden müssen und der dritte, also der der noch am meisten sehen kann, darf nicht international spielen, aber in der Bundesliga. Bei Bundesliga-Spielen ist es aus Sicherheitsgründen außerdem Pflicht einen Kopfschutz zu tragen.

Interview mit Bernhard Schetezka

Wir haben Bernhard Schetezka interviewt, der seit Dezember 2010 als Schiedsrichter in der Blindenfußball-Bundesliga ist.

Wie wird man Blindenfußball-Schiedsrichter?
Man nimmt an einer Ausbildung in der Sportschule in Hannover teil, die ein Wochenende dauert und dann jedes Jahr eine Weiterbildung, bei der es sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil gibt.
Wie lernen Blinde, dass sie z.B. nicht gegeneinander laufen oder überhaupt den Ball finden?
Im Regelwerk heißt es: Wenn der Nichtballbesitzende näher als zwei Meter zum Ballbesitzenden kommt, was sie durch den Ball hören, der eingebaute Rasseln hat, muss er das spanische Wort „Voy“ rufen, was übersetzt heißt „Ich komme“ und international verwendet wird. Deshalb muss es beim Spiel sehr ruhig sein. Man hört fast die ganze Zeit Spieler, die nur „Voy“ rufen. Sie müssen lernen abzuschätzen, in welcher Entfernung sich der Ball befindet und auf die Guides, die am Rand des Spielfelds stehen zu hören, da diese Anweisungen geben.
Was sind die größten Unterschiede in Verhalten und Technik?
Das Spielfeld misst nur 40x20 Meter und ist durch Banden begrenzt. Man spielt sozusagen mit den Banden und orientiert sich an ihnen. Es wird 2x25 Minuten gespielt, mit einer zehnminütigen Pause. Das Tor beim Blindenfußball hat die gleichen Maße wie das Tor beim Handball, also 2x3 Meter. Es gibt insgesamt fünf Schiedsrichter, zum Beispiel einen, der bei den Trainern und Auswechslungswünsche entgegen nimmt.
Was sind Sonderregeln?
Es gibt Zonen, in denen nur bestimmte Leute, sogenannte Guides rufen dürfen um den Spielern Orientierung zu verschaffen. Es gibt zwar auch Fouls, Freistöße, Strafstöße, die vom 8-Meter Punkt ausgehen, sowie gelbe und rote Karten, jedoch kein Abseits wie im normalen Fußball. Außerdem gibt es Time-Outs, bei denen der Trainer seine Mannschaft zusammenholt um zu besprechen.
Wie schaffen die Spieler es überhaupt Tore zu schießen?
Es gibt hinter dem Tor einen Guide, der den Spielern sagt, wie weit das Tor weg ist und wo es ist. Beim 8-Meterschießen wird außerdem links und rechts gegen die Pfosten geklopft. Allerdings fällt manchmal trotzdem kein Tor.
Gibt es oft Verletzungen?
Ja, da sie oft gegeneinander rennen und auch ich als Schiedsrichter muss aufpassen, da ich schon mal umgerannt wurde.
Für wen ist es leichter: für jemanden, der schon immer blind ist oder für jemanden der erst im Laufe des Lebens erblindet ist?
Es ist leichter für jemanden, der früher sehend war, da dieser eine bessere Vorstellung von den Dingen hat und für diesen ist es dann auch einfacher.
Warum haben Sie sich entschieden beim Blindenfußball Schiedsrichter zu sein?
Ich war davor schon Schiedsrichter beim normalen Fußball und hatte vor fünfeinhalb Jahren einen Motorradunfall. Danach wurde ich durch einen Aufruf auf einen Blindenfußball-Schiedsrichter Lehrgang aufmerksam und habe mich dann dazu entschieden, weil ich behinderten Menschen helfen wollte.

Was ist das Besondere am Blindenfußball-Schiedsrichter sein im Vergleich zum normalen Fußball?
Die Spieler benötigen mehr Hilfe, sowohl von den Guides am Rand des Spielfelds als auch von uns Schiedsrichtern. Außerdem ist es schwierig zu entscheiden, was ein Foul war und was nicht, da sie oft auch nur aus Versehen gegeneinander rennen. Es müssen ganz andere Maßstäbe, Verhaltensweisen und Regelauslegungen angewandt werden. Außerdem gibt es auch gelbe und rote Karten für Guides und Trainer, wenn sie sich aus ihrer Zone rausbewegen.
Reden Sie dann auch mehr mit den Spielern?
Ja, wir müssen sehr viel mit ihnen reden und erklären, da wir nichts mit Gesten regeln können. Bei einem Foul zum Beispiel müssen wir ihnen dann erklären, warum es ein Foul war, warum wir gepfiffen haben, da sie es meistens nicht verstehen.
Verteilen Sie oft gelbe und rote Karten?
Nein, denn die Spieler begehen meistens nicht mit Absicht ein Foul und deshalb übergehe ich meistens gelbe und rote Karten, die ich allerdings auch beim normalen Fußball wenig verteile.
Was würden Sie verbessern wollen?
Ich würde mir wünschen, dass es in der Öffentlichkeit mehr verbreitet wird, da viele Menschen gar nicht wissen, dass es Blindenfußball überhaupt gibt. Ich halte auch oft Präsentationen z.B. bei Seniorennachmittagen um einfach mehr Menschen zu erreichen. Allerdings ist es auch schön zu sehen, dass z.B. bei größeren Spielen, wenn mitten in der Stadt das Spielfeld aufgebaut wird, viele Menschen vorbeikommen und zusehen.
Was gefällt ihnen besser? Das normale Fußball oder Blindenfußball?
Das kann man so nicht vergleichen. Beim Blindenfußball ist allerdings das Schöne, dass man sieht wie sehr die Menschen sich freuen, wenn sich zum Beispiel ein Tor schießen und das Gefühl ist einfach ein anderes. Oft sitzt man auch nach den Spielen noch zusammen.