Donald Trump hat die Verbündeten bei der ersten Begegnung konsterniert. Sein Auftritt bei der Nato lässt nur einen Schluss zu:
Der europäische Arm der Allianz muss ertüchtigt werden, kommentiert Bärbel Krauß.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Es gibt zwei Probleme, die die Nato in ihrer mittlerweile 68-jährigen Geschichte begleitet haben: Der Berlin - Streit ums Geld und um die Lastenverteilung ist so alt wie das Bündnis selbst. Und so klar die politische Verpflichtung, sich im Falle eines Angriffs von außen gegenseitig beizustehen im Nato-Vertrag formuliert ist, so dehnbar ist die Interpretation, was militärisch daraus folgt. Trotzdem hat die Allianz in ihrer Geschichte gut funktioniert, obwohl diese Grundkonflikte sich als Konstanten erwiesen und die sonstigen Existenzbedingungen im Bündnis sich in fast sieben Jahrzehnten fundamental gewandelt haben. Sinn, Zweck und Wirksamkeit der Nato standen trotz aller Selbstzweifel nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nie ernsthaft in Frage.

 

Auch beim informellen Treffen der Nato-Partner mit US-Präsident Donald Trump hat man Formelkompromisse gefunden, die den massiven Konflikt übertünchen, den Trump so unverstellt auf offener Bühne ausgelebt hat, wie man es sich von keinem seiner Vorgänger auch nur hätte vorstellen können. Der offene Affront ist vielleicht das, was man nach seiner bisherigen Amtszeit wohl „typisch Trump“ nennen muss. Und so schwer es in einer politischen Allianz ist, mit einem derart unberechenbaren, die Gepflogenheiten unter Verbündeten so demonstrativ missachtenden Gegenüber angemessen umzugehen: Das ist nicht das Hauptproblem, das die Nato mit Trump und dem Verbündeten USA hat. Es wäre leicht, es bei der Erregung über die Ungehobeltheit und Unverschämtheit des nach wie vor wichtigsten europäischen Verbündeten zu belassen. Aber das verstellt den Blick auf die tiefer liegenden Veränderungen in der amerikanischen Sicherheitsdoktrin, die sich nicht erst seit Trumps Amtsantritt abzeichnen.

Schon unter Präsident Obama haben die USA ihre Interessen neu definiert

Dass Trump in Brüssel das explizite Bekenntnis zur Nato-Beistandsverpflichtung verweigert hat, muss man dabei vielleicht noch nicht auf die Goldwaage legen. Immerhin hat es in der praktischen militärischen Zusammenarbeit bisher keinen Bruch gegeben. Nach wie vor leisten die US-Streitkräfte etwa zur Präsenz internationaler Truppen im Baltikum und in Polen das, was die vorige US-Regierung zugesagt hat. Aber dass das so weiter läuft, kann man nicht einfach unterstellen. Denn schon Trumps Vorgänger Barack Obama hat deutlich gemacht, dass die Sicherheit Europas für die USA heute nicht mehr die gleiche Priorität hat wie in den Jahrzehnten zuvor. Der große Bruder auf der anderen Seite des Atlantiks wendet sich der pazifischen Region zu. In diese Tradition sollte man Trumps Pochen auf eine stärkere Beteiligung an der Bekämpfung des Islamischen Staats und ein stärkeres finanzielles Engagement der Nato-Partner mindestens zum Teil auch einordnen.

Frankreichs Präsident Macron hat ein wichtiges Signal gesetzt

Daraus folgt für den europäischen Teil der Nato, dass ihre Sicherheit nicht nur durch islamistische Terroranschläge und die in der Annexion der Krim erstmals offenbar gewordene neue Aggressionsbereitschaft Russlands beeinträchtigt wird, sondern auch weil die USA neue Schwerpunkte setzen. Kompensieren können die Europäer das nur durch eine Ertüchtigung ihres Teils der Sicherheitsarchitektur. Ziel muss sein, eine größere operative Unabhängigkeit zu erreichen. Das wird Geld kosten, das in Truppenstärke, Ausrüstung und Waffen aber auch in Diplomatie, Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe fließen kann. Wie genau diese europäische Ertüchtigung aussehen soll, muss die Bundesrepublik sich nicht von Donald Trump diktieren lassen. Aber sie muss einen möglichst breiten Konsens mit den wichtigen europäischen Nachbarn, allen voran mit Frankreich suchen. Dass der junge französische Präsident Emmanuel Macron sich dazu bekannt hat, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung aufzuwenden, ist dabei ein wichtiges Signal.