Aus den ehemals jungen Wilden Rainer Schnaitmann und Jochen Beurer sind Vorzeige-Winzer geworden, die seit 20 Jahren immer noch gegen den Strom schwimmen.

Stuttgart - Sie waren mit die Ersten, die auf die renommierten Weingüter wie Aldinger und Haidle folgten und dachten: Das können wir auch. Rainer Schnaitmann und Jochen Beurer haben in den 90er Jahren kurzerhand der Genossenschaft den Rücken gekehrt und ihr eigenes Ding gemacht.

 
Herr Schnaitmann, Herr Beurer, klar, dass wir zum 20-jährigen Bestehen Ihrer Weingüter übers Alter reden müssen, oder?
Jochen Beurer Müssen wir? Ich finde, wir haben uns gut gehalten. Rainer Schnaitmann Apropos gut gehalten, ich habe da einen Riesling, den müsst ihr unbedingt probieren. Jahrgang 2010, der war sehr schwierig. Aber die Weine haben sich sensationell gehalten. Dann stoßen wir einfach auf die nächsten 20 Jahrgänge an!
20 Jahre sind eine lange Zeit. Wie lief das denn am Anfang?
Schnaitmann Ich denke, wir haben den etablierten Betrieben schon Feuer unterm Hintern gemacht. Und die Konkurrenz hat dem gesamten Anbaugebiet sicher gutgetan. Wir waren die ersten der neuen Generation, die eben gut ausgebildet waren. Beurer Und wir hatten auch schon immer gute Kontakte zu anderen Weingütern, das war befruchtend. Und was den ökologischen Weinbau angeht: Am Anfang wurde ich noch von vielen belächelt, heute gibt’s immer mehr Betriebe, die umstellen.
Schnaitmann Aber wir haben den Bogen manchmal auch richtig überspannt.
Inwiefern?
Beurer 2003 auf 2004 bin ich zum Beispiel komplett auf Spontanvergärung umgestiegen. Wir haben sicher manches Mal die Leute mit unseren Weinen vor den Kopf gestoßen, aber vielleicht muss man das einfach immer mal wieder machen.
SIe arbeiten beide biodynamisch. Das scheint inzwischen um sich zu greifen. Haben Sie den Trend gesetzt?
Schnaitmann Sicher nicht allein, aber wir haben dazu beigetragen, allerdings in einer einfach dynamischen Region. Hier im Remstal ist viel passiert. Beurer Meiner Meinung nach hat auch Bernd Kreis (Sommelier, Weinhändler und in den 90ern mit einer Rede im Landtag aufrüttelnder Weinexperte, Anm. d. Red.) viel zum Wandel beigetragen. Er hat den ersten Jahrgang von uns beiden entdeckt. . .
. . . und später ihre Winzergruppe Junges Schwaben beraten?
Beurer Genau. Er war unser Mentor. Für die Region und die Betriebe hier war er enorm wichtig. Schnaitmann Ja, und er hatte bereits coole Betriebe im Programm. Durch ihn haben wir Kontakte hergestellt, dadurch sind wir in der Welt rumgekommen. Kreis war sicher so etwas wie ein Türöffner und hat vielen anderen auch die Augen geöffnet.
Das Weingut Beurer stieg ja recht früh auf bio um, das Weingut Schnaitmann ein bisschen später.
Schnaitmann Wir haben schon länger so gearbeitet, aber ich wollte das eigentlich gar nicht publizieren. Inzwischen hat sich alles geändert, bio ist keine Sache von Ideologie mehr. Ich träume von einem komplett biologisch bewirtschafteten Kappelberg! Beurer Ich will ja einen Antrag stellen, dass der VdP (Verband deutscher Prädikatsweingüter) Württemberg komplett auf ökologisch umstellt. Immerhin 35 Prozent der Betriebe arbeiten ja schon so. Schnaitmann In Fellbach arbeiten sogar zwei von drei Betrieben (Schnaitmann und Heid, Anmerkung der Redaktion) ökologisch! Beurer Und in Stetten zwei von zwei Betrieben (Beurer und Haidle, Anmerkung der Redaktion).
Was hat sich sonst noch so verändert in den 20 Jahren?
Schnaitmann Die Entwicklung in der Gastronomie war sicher auch wichtig. Wenn man sieht, dass wir allein in Fellbach inzwischen drei Sternelokale haben . . . Beurer (lacht) . . . aha, du zählst Schmiden zu Fellbach. Schnaitmann Wenn es um gutes Essen geht, dann sicher. Also, jetzt hast du mich unterbrochen! Die Entwicklung ist wirklich fantastisch. Dazu brauchst du auch die Kunden, die das alles zu schätzen wissen. Beurer Genau, Glück gehört letztlich auch dazu. Denn unsere Region ist einfach gesegnet, die Leute wollen regionale Produkte und können sich bessere Qualitäten leisten.
Verkaufen sie also viel direkt vom Hof an die Kunden?
Schnaitmann Schon. Inzwischen ist allerdings der Export eine Nummer geworden. Als ich angefangen habe, nach USA zu exportieren, wurde ich von vielen belächelt. Beurer Ich verkaufe mittlerweile zwei Drittel meines Trollingers in die USA. Schnaitmann Na ja, soviel Trollinger habt ihr ja auch nicht in Stetten. Beurer Das stimmt. Aber es macht einfach Laune, internationaler Kundschaft etwas über deinen Wein zu erzählen, das ist echt befriedigend. Schnaitmann Das stimmt! In Köln gibt’s das Vorurteil, dass sie in Württemberg keinen Wein machen können, das erlebt man in den USA einfach nicht. Der Export ist zudem eine gute Schule.
Gutes Stichwort. Sie fliegen in die USA, um Ihren Wein zu verkaufen. Ist der Winzer mehr Verkäufer als Weinbauer geworden?
Beurer Klar habe ich mich immer gefreut, wenn die Leute meinen Wein mögen. Aber die Bestätigung brauche ich nicht mehr so sehr.
Schnaitmann Ich versuche auch, mich da etwas mehr rauszunehmen. Wir haben schließlich gute Mitarbeiter. Und im Alter wird man einfach ein bisschen ruhiger.
Und im Weinberg?
Beurer Auch dort. Mit der Zeit sieht man vieles gelassener und lässt die Reben mal ihr Ding machen und das Gras wachsen. Schnaitmann Wir erleben da eine Trendwende zur Natürlichkeit hin. Wir machen nicht Wein wie vor hundert Jahren, so ein Wein würde schlichtweg nicht schmecken. Uns hilft die Technik, so simple Sachen wie die Kühlung, und viel Erfahrung,