40 Jahre Grüne So hat sich die Öko-Partei verändert
Vor 40 Jahren gründeten Umweltschützer, Friedensbewegte und Atomkraftgegner in Karlsruhe eine neue Partei. Von der Latzhose hin zum Anzug: Wir zeigen den Wandel der Grünen in einer Bilderstrecke.
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Wallemähnen, Bärte und Latzhosen gehörten beim Gründungsparteitag der Grünen zur provokativ-rebellischen Grundausrüstung. Unsere Bilderstrecke zeigt anhand von sieben Aspekten, wie die Ökopartei sich im Laufe der Jahrzehnte verändert hat.
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Ja zum Regieren: Die frühen Grünen waren sich keineswegs einig in der Frage, ob sie überhaupt regieren wollen. Für viele erschien es sinnvoller, von der Straße und aus der Opposition im Parlament heraus Druck auf die Regierenden auszuüben. Die Frage nach Regierungsbeteiligungen trennte in den 1980er Jahren Fundis und Realos. Dazwischen standen Reform-Linke, die Regierungsbeteiligungen zumindest nicht ausschließen wollten. Fundis wie Jutta Ditfurth verließen nach 1990 die Partei. Der Ober-Realo Joschka Fischer führte die Grünen 1985 in Hessen in die Landesregierung und 1998 in die Bundesregierung. Heute regieren die Grünen in elf Bundesländern, auch mit der CDU. In Baden-Württemberg stellen sie sogar den Ministerpräsidenten. 2021 wollen sie das Kanzleramt erobern.
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Ja zum Staat: Dokumente aus der Gründungszeit zeigen, dass die Partei damals ein ambivalentes Verhältnis zum Staat und seinen Institutionen hatte. Viele Grüne der ersten Stunde stammten aus der militanten Studentenbewegung, aus kommunistischen Splittergruppen oder hatten bei Anti-Atom-Protesten Konflikte mit der Polizei erlebt. Es gebe „starke Tendenzen zu einem autoritären Maßnahmen- und Überwachungsstaat“, hieß es 1980 im Grundsatzprogramm. Im Lauf der Jahre entwickelten sich die Bürgerrechte zu einem Schwerpunkt der Grünen. Heute haben die Grünen kein Problem damit, in Wahlprogramme zu schreiben, dass die Polizei gestärkt werden müsse. Einen grünen Innenminister hat es aber noch nicht gegeben. Es gibt viele in der Partei, die das unbedingt ändern wollen. Dieses Bild zeigt den Gründungsparteitag der Grünen 1980 in Karlsruhe.
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Ankunft im Osten: Die Wende im Osten 1989 und die deutsche Einheit 1990 bedeuteten auch für die Grünen eine Zäsur. Dem Jubel rund um die Wiedervereinigung mochten sie sich nicht anschließen, Schwarz-Rot-Gold war ihnen suspekt. Den Wählern gefiel das gar nicht: Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 scheiterten die West-Grünen an der Fünf-Prozent-Hürde. Nur im Osten schafften die dortigen Grünen knapp den Einzug in den Bundestag - und zwar mit einer gemeinsamen Liste mit Bündnis 90, einem Zusammenschluss von Oppositionsgruppen aus der DDR.
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Nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl begann für die Grünen eine schwierige Phase des Wiederaufbaus. 1993 schlossen sie sich offiziell mit Bündnis 90 zusammen, seitdem heißt die Partei Bündnis 90/Die Grünen. Auf diese Weise kamen Kräfte wie Katrin Göring-Eckardt zur Partei, die heutige Co-Fraktionschefin im Bundestag. Während in den folgenden Jahren und Jahrzehnten die Grünen im Westen wieder erfolgreich wurden, bleibt der Osten für sie bis heute ein schwieriges Terrain. In jüngster Zeit besinnen sich die Grünen wieder verstärkt auf den zweiten Bestandteil ihres Namens Sie verstehen sich als Bündnispartei, die Verbindungen mit anderen Kräften unterschiedlicher Couleur eingehen kann, um die eigenen Belange durchzusetzen.
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Lust auf Wirtschaft: Bis heute begegnen viele Grüne der Wirtschaft und dem Unternehmertum mit großer Skepsis. Sie bezweifeln, dass das kapitalistische System mit den Erfordernissen der Ökologie in Einklang zu bringen ist. Besonders stark waren diese Zweifel in den frühen Jahren der Partei ausgeprägt. Dazu kam eine grundsätzlichen Skepsis gegenüber technischen Innovationen. Es dauerte lange, bis die Grünen anfingen, offensiv Wirtschaftspolitik zu betreiben. Den Slogan dazu lieferte der einstige Parteichef und heutige Oberbürgermeister von Stuttgart, Fritz Kuhn: „Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben.“
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Die Führung der Partei erkannte, dass sie nicht auf Dauer gegen die Wirtschaft arbeiten kann, sondern mit ihr kooperieren muss, um das Land insgesamt „grüner“ zu machen. Die Energiewende war ursprünglich ein rein grünes Projekt, heute steht sie im Zentrum der politischen Debatte. Auch die traditionellen Energiekonzerne, die einst mit Kohle und Atom groß wurden, sehen sich dem Projekt inzwischen verpflichtet. Inzwischen sucht die Partei gezielt Verbündete in den Chefetagen. So gibt es etwa einen grünen Start-up-Beauftragten und einen grünen Wirtschaftsbeirat.
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Adieu Pazifismus: In keinem anderen Politikfeld haben sich die Grünen in den vergangenen vierzig Jahren stärker verändert als in der Außenpolitik. Gegründet wurden sie während des Kalten Krieges und unter dem Eindruck des Rüstungswettlaufs zwischen West und Ost. Sie wollten in jeder Hinsicht gewaltfrei sein. Im Grundsatzprogramm von 1980 plädierten sie dafür, „sofort“ mit der Auflösung der Militärbündnisse Nato und Warschauer Pakt zu beginnen. Alle fremden Truppen sollten von fremden Territorien abgezogen werden – also auch die Verbündeten aus Westdeutschland.
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Als die Grünen 1998 in die Bundesregierung einzogen, kam es zum Konflikt: Vom Frühjahr 1999 an bombardierte die Nato mit deutscher Beteiligung Belgrad, um Serbien zum Rückzug seiner Armee aus dem Kosovo zu zwingen. Bei einem Sonderparteitag in Bielefeld billigten die Grünen das Vorgehen, Außenminister Joschka Fischer bekam dabei einen Farbbeutel ab. Nach den Terror-Anschlägen in den USA von 2001 stellte sich Berlin uneingeschränkt auf die Seite der Supermacht. Militäreinsätze tragen die Grünen heute mit, wenn es ein UN-Mandat gibt.
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Anzug statt Latzhose: Lange Haare, Rauschebärte, verwaschene Jeans und jede Menge Strickpullover: Die Grünen waren in ihren frühen Jahren eine ästhetische Herausforderung für die kreuzbrave Bonner Republik. Sie wollten anders sein als die etablierten Parteien und deren Repräsentanten. Sie pfiffen auf den damals üblichen Dresscode in Parlamenten und Behörden. Bei Männern galten lange Haare als rebellisch. Auch strickende Frauen gehörten zum Erscheinungsbild der Partei. Dahinter stand eine grundsätzliche Kritik an der Konsumgesellschaft und der Wunsch, zu traditionellen Produktionsformen zurückzukehren.
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Als sich die Grünen 1985 erstmals an einer Landesregierung beteiligten – in Hessen unter Führung der SPD – erschien der neue Umweltminister Joschka Fischer in Turnschuhen zu seiner Vereidigung. Es war eine gezielte Provokation. Später, als Bundesaußenminister, trug er stets feine Anzüge und Krawatten. Heute taugt die Kleidung nicht mehr zur Unterscheidung.