Mercedes-Cup in Stuttgart So tickt Alexander Zverev
Alexander Zverev ist mit gerade einmal 22 Jahren Weltmeister und seit November 2017 ohne Unterbrechung unter den Top 5 der Weltrangliste. Eine Annäherung an einen oft verkannten Jungstar.
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Hoch konzentriert: Alexander Zverev beim Rasentraining auf dem Stuttgarter Weissenhof.
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Der Spieler: Was Talent, Willen und Leistungsbereitschaft angeht, gehört Alexander Zverev bereits mit 22 Jahren zu den ganz großen auf der Tour. Sein Aufschlag ist eine Waffe, seine Variabilität auf dem Tennisplatz eine seiner großen Stärken. Mit seiner Größe kann er selbst im Halbfeld ungeheuren Druck entwickeln und gehört trotz seiner Aufschlagstärke zu den besten Sandplatzspielern der Welt. „Ich weiß, dass ich einer der besten Spieler der Welt sein kann, wenn ich meinen Rhythmus finde“, sagt Zverev über sein Spiel. Seine Athletik ist herausragend, dank seiner Power und Sicherheit in den Grundschlägen kann er an einem guten Tag auch die großen der Tenniswelt schlagen. Das bewies er nicht zuletzt bei der ATP-WM im November als er zunächst im Halbfinale Roger Federer und anschließend Novak Djokovic phasenweise keine Chance ließ. Nick Bolliterri, legendärer Tenniscoach aus den USA, sieht lediglich eine Schwäche beim 22-jährigen Hamburger: „Zverev ist zu emotional“, sagt der mittlerweile 87-Jährige. Ansonsten habe er alles, was es brauche, eines Tages einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Kürzlich feierte er seinen zweiten Viertelfinal-Einzug bei den French Open, weiter kam der Weltmeister bei einem der vier Majors bis dato noch nicht.
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Der Mensch: So hart wie seine Auf- und Grundschläge ist der Mensch Alexander Zverev nicht. Nachdenklich, witzig, selbstreflektiert und mit einem gewissen Hang, sich selbst den größten Druck zu machen – so beschreiben ihn Weggefährten, die den Hamburger seit vielen Jahren kennen. Zuweilen macht er sich auch zu viel Druck, wie er bei seiner Ankunft in Stuttgart selbst zugab. „Wenn Du denkst, jetzt musst Du unbedingt, kann man ganz schnell verkrampfen“, sagte Zverev. Mit Niederlagen umzugehen, musste er im Laufe seines Lebens erst lernen. „Wenn ich mit ihm Tennis gespielt habe oder auch mal ein Gesellschaftsspiel, dann musste ich ihn irgendwann gewinnen lassen. Sonst wäre die Stimmung kaputt gewesen“, sagt Mutter Irina über ihren jüngsten Sohn. Gewinnen lässt ihn auf der Tour keiner – aber der Hamburger hat längst gelernt, aus Niederlagen seine Schlüsse zu ziehen. Privat stehen bei ihm seine Familie und sein Pudel Lövik über allem. Trotz eines unterhaltsamen Auftritts bei Instagram hält er sein Privatleben vor der Öffentlichkeit weitestgehend fern – einzig, dass er nach der Trennung von Olga Sharypova im Moment keine Freundin hat, gab er kürzlich Preis, was seine zahlreichen Verehrerinnen in den sozialen Netzwerken freuen dürfte.
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Die Familie/das Umfeld: „Ich bin ganz alleine hier“, sagt Zverev bei seiner Ankunft beim Mercedes-Cup. Mittlerweile stimmt das nicht mehr: Coach Ivan Lendl und Papa Alexander sind längst in Stuttgart. Mit Bruder Mischa war er im Doppel im Einsatz und Mutter Irina kommt mit Familienhund Lövik zu den Noventi Open (früher Gerry Weber Open) nach Halle/Westfalen. „Alles, was ich bin, habe ich meinen Eltern zu verdanken“, sagt Zverev. Was nach viel Pathos klingt, ist aber der volle Ernst des 22-jährigen Familienmenschen. Die Zverevs sind eine Tennisverrückte Familie im positiven Sinne. Mutter Irina war eine talentierte Tennisspielerin, Vater Alexander Sr. galt gar als bester sowjetischer Spieler seiner Generation. Die Familie gibt auch dem Junior halt, dessen großes Vorbild sein Bruder Mischa war. Die Mutter ist so etwas wie der Kopf der Familie, der Vater die Eminenz auf dem Tenniscourt – mittlerweile sind selbst die Management-Aufgaben in die Familie integriert, nachdem sich der Clan seit Anfang des Jahres in einem Rechtsstreit mit Ex-Manager Patricio Apey befindet. Seit vergangenem Jahr halten sich hartnäckig Gerüchte, dass die Agentur von Roger Federer (Team8) die Vermarktung des Hamburgers übernehmen würde, wenn der Rechtsstreit mit Apey ausgestanden ist.
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Der Trainer: „Er ist für mich der beste Trainer der Welt überhaupt“, sagte Alexander Zverev mit Tränen in den Augen, als er sich nach dem WM-Triumph im vergangenen November an seine Box wandte. Gemeint war damit allerdings nicht sein Coach Ivan Lendl, sondern Vater Alexander Sr., der seit Kindesbeinen als Trainer über die sportliche Entwicklung seiner Sprösslinge wacht. Lendl wiederum stoß erst im August 2018 zum Team mit dem Ziel, Zverev auch bei den Grand-Slam-Turnieren an sein Leistungsoptimum zu bekommen. Und Lendl, der als Aktiver acht Mal bei den Majors triumphiert hatte, weiß, wie man Grand-Slam-Sieger formt. Der kauzige US-Amerikaner coachte in seiner bis dato einzigen Trainerstation Andy Murray auf den Wimbledon- und Olympia-Thron. „Dabei hatte damals keiner verstanden, warum Andy mit Lendl arbeiten wollte – schließlich hatte der alle Grand Slams außer Wimbledon gewonnen“, scherzt Zverev über seinen Coach und fügt augenzwinkernd hinzu: „Er kann mir sicher auch sagen, was man lieber nicht machen sollte.“Genau jener unbeschwerte Umgang zeichnet das Verhältnis von Zverev und Lendl aus. Man respektiert und schätzt sich, man sagt sich aber auch deutlich die Meinung, sollte man anderer Meinung sein und arbeitet anschließend konzentriert weiter.
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Als Zverev mit 18, 19 Jahren erstmals weltweit für Schlagzeilen sorgte, galt er in der deutschen Heimat als verschlossen, abgehoben, manche warfen dem fast zwei Meter großen Ausnahmetalent gar Arroganz vor. Hintergrund waren sein Verzicht auf die Olympischen Spiele in Rio 2016 und die Absage des anschließend stattfindenden Davis-Cup-Duells in Berlin. Dass sich der Deutsche Tennis-Bund (DTB) in Person des damaligen Pressesprechers Hans-Jürgen Pohmann mit den Worten „das Zverev-Management lässt jeden Respekt vor dem Sport, vor der Öffentlichkeit und den Medien vermissen“ zitieren ließ, verschärfte die öffentliche Kritik am damals 19-Jährigen. Dabei ist Zverev alles andere als abgehoben. Wer sich mit dem 22-Jährigen unterhält, merkt schnell, dass er es mit einem intelligenten, selbstkritischen und über den Tellerrand blickenden jungen Mann zu tun hat. Und verschlossen? Als er im Frühjahr Schwierigkeiten auf dem Court hatte, machte er keinen Hehl daraus, dass ihn ein kurzzeitiger Krankenhausaufenthalt des Vaters, die Querelen mit dem Ex-Manager und auch die Trennung von seiner Ex-Freundin belasteten. Mittlerweile wandelt sich daher das öffentliche Bild von Zverev. Er hat zwar bei weitem noch nicht den Status der deutschen Tennislegenden von einst – der Trubel um ihn beim Stuttgarter Mercedes-Cup lässt aber erahnen, dass da einer auf dem richtigen Weg zum deutschen Megastar ist.