In Baden-Württemberg könnten 10 000 Stellen am Bau entstehen, wenn denn die nötigen Arbeitskräfte da wären, schätzen die Branchenvertreter der Bauwirtschaft.

Stuttgart - Der Fachkräftemangel ist nach Ansicht von Markus Böll eines der größten Probleme der Bauwirtschaft im Südwesten. Quasi jeder Betrieb suche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sagt der Präsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Er schätzt, dass in Summe 10 000 Stellen allein im Südwesten geschaffen werden könnten, wenn denn die Arbeitskräfte da wären. Die Situation werde verschärft dadurch, dass aufgrund der Altersstruktur in den nächsten Jahren rund zehn Prozent der Beschäftigten am Bau in Rente gehen werden.

 

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Die Lösung des Problems sieht Böll nicht zuletzt in der vermehrten Zuwanderung. Allerdings: „Wir haben in Deutschland sehr hohe Qualifikationsanforderungen, die viele potenzielle Bewerber aus dem Ausland nicht erfüllen“, erläutert Böll. Sein Vorschlag: Man könnte gering qualifizierte Erwachsene, die mindestens 25 Jahre alt sind, für ein halbes Jahr nach Deutschland holen. Sie sollten in diesem Zeitraum direkt bei Baufirmen angestellt werden und praktische Qualifikationen vermittelt bekommen. Wer die Anforderungen nicht erfülle, so die Bauwirtschaft, müsse dann das Land spätestens nach einem halben Jahr wieder verlassen.

Zuwanderer würden häufig an mangelnden Sprachkenntnissen scheitern. Deshalb plädiert Hauptgeschäftsführer Thomas Möller dafür, zunächst die praktische Qualifizierung in den Mittelpunkt zu stellen und die Prüfungen, die in Deutsch abgenommen werden, erst einmal hintanzustellen. Die dafür erforderlichen Programme gebe es bereits, so Möller. Sie hießen Berufsstart Bau oder Teilqualifizierung Bauwirtschaft. Derzeit stehen rund 113 000 Beschäftigte auf den Gehaltslisten der Betriebe im Südwesten. Arbeitslos waren im vergangenen Jahr gut 2000 Personen, die zuvor am Bau gearbeitet hatten. Viele davon seien im rentennahen Alter, schätzt Möller.

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Sorgen bereiten der Branche auch die Preisschübe. Allein im Wohnungsbau betrug der Preisanstieg im November gut 14,5 Prozent, im Straßenbau waren es 5,7 Prozent, so Böll. Über alle Bereiche hinweg habe sich das Bauen um zehn Prozent verteuert. „Wir Bauunternehmer sind leider gezwungen, sie an unsere Kunden weiterzugeben“, erklärt Böll. In diesem Jahr werde sich diese Entwicklung zunächst fortsetzen – wiederum mit einem Plus von zehn Prozent. Wenn die Bauexperten recht behalten, wird sich die Lage dann im zweiten Halbjahr entspannen.

Grund für die extremen Preissteigerungen der vergangenen Monate waren vor allem die Lieferschwierigkeiten bei Baumaterialien und die weltweit gestiegene Nachfrage nach Baustoffen wie Zement, Holz und Rohre. Baumaschinen seien gar um gut 20 Prozent teurer geworden, fügt Mathias Waggershauser hinzu, der Vizepräsident der Bauwirtschaft Baden-Württemberg. Nicht zuletzt um unabhängiger von Lieferungen aus fernen Ländern zu werden, sollte zudem mehr auf Recycling gesetzt werden, fordert Waggershauser. Die so gewonnenen Stoffe seien gleichwertig mit neuen. Dennoch gebe es immer noch Ausschreibungen, die Recycling ausschließen.

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Die enormen Preissteigerungen haben die Bautätigkeit etwas abgebremst. In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres ist der Umsatz der Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten um knapp ein Prozent auf rund 13 Milliarden Euro gewachsen. Am günstigsten hat sich dabei noch der Wirtschaftsbau (plus 2,7 Prozent) entwickelt. Zufrieden dürften die Unternehmen mit dem Auftragseingang sein, der knapp 16 Prozent über Vorjahr lag. Auffällig ist dabei der Wirtschaftsbau mit einem Plus von 32 Prozent. Dies spiegele allerdings nicht die allgemeine Lage wider. Grund für den Ordersprung seien vielmehr einige Großprojekte der Bahn, erläutert Waggershauser.

Werden alle Bauprojekt auch realisiert? Seit dem Förderstopp für energieeffiziente Gebäude vor wenigen Tagen sind zumindest Zweifel angebracht. Die Bauwirtschaft fordert von der Bundesregierung eine schnelle Klärung, um die Unsicherheit zu beenden und den Schaden für den Wohnungsbau gering zu halten.