Seit genau zehn Jahren segelt Oliver Welkes „heute-show“ erfolgreich zwischen Kabarett und Comedy. Ein Erfolgsgeheimnisbericht aus Köln-Mülheim.

Stuttgart - Humor ist, heißt es, wenn man trotzdem lacht. Oder gar nicht. Im Kölner Schanzenviertel zum Beispiel, alte Kabelfabrik, Treppe rauf, rechts: Durch einen Gang von sachlicher Strenge führt der Weg vorbei an Büros voll hochkonzentrierter Menschen im Epizentrum leichter Satire, dem definitiv mehr Tageslicht auf dem grauen Mobiliar guttäte. Hier sitzt Oliver Welke Werktag für Werktag, um mit seinem zwanzigköpfigen Team plus Layout, Technik, Produktion in andächtiger Ruhe den heitersten Ernst am Flatscreen zu ersinnen: die „heute-show“. Und das seit zehn Jahren.

 

Ein Start mit Guttenberg

Am 26. Mai 2009 nämlich, die Wirtschafts- und Finanzkrise nahm gerade Fahrt auf, saß der gelernte Radiokomiker mit Sportberichtexpertise erstmals vor einer Wand aus Flachbildschirmen und kommentierte die Welt im Stil einer echten Nachrichtensendung. Genau die will deren Mastermind schließlich humorvoll, aber seriös simulieren – an einem Frühlingstag kurz nach der Geburt eines politischen Hoffnungsträgers. Nein, der hieß damals nicht Barack Obama, obwohl der erst im Januar zuvor seinen Amtseid abgelegt hatte. Es war Karl-Theodor zu Guttenberg, frisch vereidigter Wirtschaftsminister mit später enthülltem Hang zum akademischen Plagiat, aber schon Premierenpappkamerad von Welkes neuer Sendung.

Zwei Jahre vor seinem Sturz wurde dem Popstar der Groko Merkel I die Ehre zuteil, das ZDF-Format zu eröffnen. „Wer rettet Opel zuerst?“, fragt ein sichtlich jüngerer, nicht wesentlich dünnerer, doch spürbar lockerer Moderator grinsend Richtung Publikum in Saal und Wohnstube. Dann spielt er ein Video mit Freiherr zu Guttenbergs Bonmot von der „geordneten Insolvenz“ ab. Für Welke klingt es, als ließe man sich „romantisch die Hämorrhoiden veröden“. Bruha.

Relevante Unterhaltung

Hier liegt sie seither, die Messlatte der nächsten 320 Folgen: mittig zwischen Gesellschaftskritik und Comedy, Kabarett und Klamauk, Mathias Richling und – sagen wir der Fairness halber nicht Mario Barth, sagen wir: Rudi Carrell. Dessen „Tagesshow“ folgte ab 1981 demselben Prinzip: drolliger Jux im Kleid seriöser News, wenngleich deftiger gewürzt mit unpolitischen Kalauern. Welkes Witz dagegen orientiert sich an Jon Stewarts satirischer „Daily Show“, die Amerikas liberale Öffentlichkeit zu jener Zeit nachhaltiger mit Erkenntnisgewinn versorgte als so manches klassische Infotainment der tief gespaltenen USA.

Humor ist eben auch, wenn es überhaupt noch mal was zu lachen gibt. Nach diesem Motto hat sich die „heute-show“ in zehn Jahren zur gesellschaftlich vielleicht relevantesten Unterhaltungssendung des deutschen Fernsehens gemausert. Linear plus online regelmäßig von gut sieben Millionen Zuschauern verfolgt, ist sie im Gegensatz zur akademisch verbildeten „Anstalt“, der die „heute-show“ anfangs folgte, ein journalistisch recherchierter Seismograf des realpolitischen Irrsinns mit den Mitteln des Schenkelklopfers. Welke reitet zwar nicht mehr nur auf Versprechern herum – walzt aber gerade die doch gern auch genüsslich aus.

Lachen und nachdenken

„In Zeiten großer Unübersichtlichkeit“, sagt der Produzent Georg Hirschberg, liefert die Sendung humoristisch „politische Orientierung, entlarvt Widersprüche, entdeckt Tollpatschigkeiten, ist hintergründig, vor allem aber witzig“, mit dem Ziel, die Leute „zum Lachen und zum Nachdenken zu bringen“. Betonung auf „und“. Meint Hirschberg. Betonung auf Lachen. Meinen Kritiker. Betonung auf Nachdenken. Meinen Fans. Recht haben sie alle. Ein bisschen.

Während „heute-show“-Platzhirsche wie Olaf Schubert, Carolin Kebekus, Alexander Schubert, Martina Hill oder Serdar Somuncu Pointen durch Grimassen und Gebrüll ersetzen, sorgen hintergründige Newcomer von Nico Semsrott über Hazel Brugger bis Lutz van der Horst mit entlarvend schüchterner Sottise für Feingeist – und kabarettistisches Niveau. Dem hätte sich zur offiziellen Jubiläumssendung, der letzten vor der Sommerpause, fast Markus Söder als Studiogast gestellt. Bis zur kurzfristigen Absage. Ob aus Feigheit vor dem Feind, weiß der CSU-Mann allein.

Ausstrahlung: ZDF, 7. Juni 2019, 23 Uhr, danach in der Mediathek des Senders.