Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg. Kanzlerin Merkel und der französische Präsident Macron kamen nun an jenem Ort zusammen, wo der Waffenstillstand besiegelt wurde. Davor hatte Macron noch einen anderen Gast - der nicht immer einfach ist

Compiègne/Paris - Mit einer historischen Geste haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Opfer des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren gedacht. Merkel bedankte sich bei Macron für die Einladung nach Compiègne an die Stätte des Waffenstillstands von 1918. Es sei das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Bundeskanzler mit dem französischen Präsidenten an diesem Ort gewesen sei, sagte sie am Samstagabend in Paris. Das sei eine „symbolische Geste“. „Insofern ist dieser Tag nicht nur Mahnung, sondern er ist auch Ansporn.“

 

Macron und Merkel enthüllten am Samstag nahe Compiègne zwei Steintafeln, auf denen die Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens betont wird. Heute sei der Wille da, „alles zu tun, um eine friedlichere Ordnung auf der Welt zu schaffen“, sagte Merkel mit Blick auf ein Friedensforum, auf dem sie am Sonntag in Paris sprechen wird. Es sei dafür aber noch viel Arbeit zu leisten.

Rund 15 Millionen tote Soldaten und Zivilisten

In dem verheerenden Krieg von 1914 bis 1918 starben fast neun Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten.

Lesen Sie hier: Die Demokratie bleibt stets gefährdet.

Vor dem Termin mit Merkel war Macron in Paris mit US-Präsident Donald Trump zusammengekommen. Macron unterstützte dabei Trumps Forderung nach einem deutlich stärkeren europäischen Engagement in der Nato. „Es ist unfair, dass die europäische Sicherheit heute nur durch die Vereinigten Staaten gewährleistet ist“, sagte Macron. „Deshalb glaube ich, dass wir mehr europäische Kapazitäten, mehr europäische Verteidigung brauchen.“ Trump sagte, bislang schulterten die USA die Hauptlast. „Wir wollen Europa helfen, aber es muss fair sein.“

Macron verteidigte seinen Vorstoß, zum Schutz vor Russland eine europäische Armee aufzubauen. „Ich teile die Ansicht von Präsident Trump, dass wir eine viel bessere Lastenverteilung innerhalb der Nato brauchen. Und deshalb glaube ich, dass meine Vorschläge für eine europäische Verteidigung damit vollständig übereinstimmen, weil das mehr Europa innerhalb der Nato bedeutet.“

Trump mit Verbalattacke gegen Macron

Trump hatte Macrons Vorstoß nach seiner Ankunft in Paris am Freitagabend kritisiert. „Sehr kränkend“, schrieb Trump auf Twitter. „Vielleicht sollte Europa zuerst seinen gerechten Anteil an der Nato bezahlen, die die USA erheblich bezuschussen!“ Bei dem Treffen sagte Trump, er und Macron seien in den vergangenen Jahren „sehr gute Freunde“ geworden. Macron nannte Trump „meinen guten Freund“.

Merkel und Macron trafen sich in einer Gedenkstätte in der Nähe der nordfranzösischen Stadt Compiègne, wo am 11. November 1918 auf einer Waldlichtung der Waffenstillstand in einem umgebauten Speisewagen unterschrieben worden war.

Auf der Waldlichtung liegt seit den 1920er Jahren eine große Granitplatte mit der französischen Inschrift: „Hier unterlag am 11. November 1918 der verbrecherische Hochmut des Deutschen Reiches, besiegt von den freien Völkern, die zu unterjochen es beansprucht hatte.“

Am Sonntag Gedenkfeier in Paris

Vor dieser Granitplatte wurden nun von Merkel und Macron die zwei kleineren Tafeln mit einer versöhnlichen Inschrift enthüllt. Auf ihnen steht auf Deutsch und Französisch: „Anlässlich des 100. Jahrestages des Waffenstillstands vom 11. November 1918 haben der Präsident der Französischen Republik, Emmanuel Macron, und die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Angela Merkel, die Bedeutung der deutsch-französischen Aussöhnung im Dienste Europas und des Friedens bekräftigt.“

An diesem Sonntag beginnt in Paris der „Weltkriegs-Gipfel“, zu dem Macron eingeladen hat. Höhepunkt wird eine große Gedenkfeier im Schatten des Pariser Triumphbogens sein. Daran nehmen Merkel, Trump, der russische Präsident Wladimir Putin, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und zahlreiche weitere Staats- und Regierungschefs teil.

Steinmeier nimmt an Kranzniederlegung teil

Als erster deutscher Staatschef nimmt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Sonntag an der traditionellen Kranzniederlegung am Denkmal für die Gefallenen in London und dem anschließenden Gedenkgottesdienst in der Westminster Abbey teil. Die Veranstaltung ist das zentrale Ereignis zum Weltkriegsgedenken in Großbritannien. Den ehemaligen Feind nun auch dazu einzuladen, ist für die Briten ein großer Schritt.

Normalerweise wurde der Kranz immer von der Queen niedergelegt. Seit dem vergangenen Jahr übernimmt das Prinz Charles. Bereits knapp zwei Wochen vor dem „Remembrance Sunday“ tragen Menschen im ganzen Land Klatschmohnblüten (Poppies) aus Papier oder Plastik an der Kleidung und bringen damit ihre Solidarität mit im Einsatz verletzten oder getöteten Soldaten zum Ausdruck.

Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts

Der Erste Weltkrieg gilt manchen Historikern als „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Die Kaiserreiche Österreich-Ungarn, Deutschland und Russland brachen ebenso zusammen wie das Osmanische Reich. Aus den Trümmern ging eine Vielzahl neuer Staaten vor allem in Mitteleuropa und auf dem Balkan hervor. Auch Machtzentren verschoben sich danach allmählich, etwa von Großbritannien zu den USA.

Um 11.00 Uhr sollen in Frankreich die Glocken läuten, gegen 13.30 Uhr dann weltweit. Die Initiative dazu ging von Großbritannien und Deutschland aus. Im Berliner Dom steht am Vormittag ein Ökumenischer Gedenkgottesdienst auf dem Programm, der unter anderem von der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz veranstaltet wird.

Am Rande des Gipfels in Paris könnte es nach Angaben Erdogans zu einem bilateralen Treffen mit Trump kommen. Die Türkei hatte zuvor Aufnahmen im Zusammenhang mit der Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi mit den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Saudi-Arabien geteilt. Der saudische Regierungskritiker war am 2. Oktober im Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul umgebracht worden. Beobachter halten vor allem das Verhalten Trumps als ausschlaggebend für die Aufklärung des Falls.