Vom Superfood-Kochkurs bis zur Zumba-Party – viele Interessierte nutzten den offenen Abend der Volkshochschule Stuttgart zum Ausprobieren

Stuttgart - Aus der Lehrküche strömt an diesem Abend ein milder Krautgeruch. Alle Arbeitsplätze sind besetzt. Es wird geschnippelt, geschält und viel gelacht. „Schwäbisches Superfood“, auch als Filderkraut bekannt, steht in all seinen Varianten auf der Speisekarte: Die Teilnehmer des Kochkurses versuchen sich an Leckereien wie Filderkraut in Wein-Soße, Filderkraut-Curry oder Spitzkohl-Quiche. Eine junge Spanierin, die noch nicht sehr lange in Deutschland ist und sich am Freitagabend wie viele andere zur Langen Nacht der Volkshochschule (VHS) in den Treffpunkt Rotebühlplatz aufgemacht hat, legt ihr Küchenmesser kurz zur Seite: „In Spanien haben wir auch Kohl, aber nicht in dieser …“, sie stockt kurz, sucht nach Worten, „… na so spitzig.“

 

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Eine ältere Schwäbin neben der Spanierin lächelt und ergänzt: „Filderkraut ist einfach toll. Man kann es gut vorbereiten, es schmeckt und es gelingt leicht.“ Und das Schwäbische Superfood wirkt offensichtlich sogar Völker verbindend. Zur selben Zeit schrillt in der nahen Holzwerkstatt eine Schleifmaschine. Wer die Werkstatt betritt, versteht erst einmal kein Wort. Zwei Frauen sind dort an der Arbeit, eine zimmert gerade ein Regal. Als die Maschine stillsteht, erklärt sie bereitwillig: „Mit Weichholz muss man ein wenig aufpassen. Bis ich damit den Umgang perfekt beherrsche, brauche ich noch einige Kurse.“

10 Euro Rabatt auf die Kursgebühr

An diesem Abend erinnert ein Rundgang durch das Treppenlabyrinth der VHS am Rotebühlplatz an einen großen Adventskalender mitten im September: Hinter unzähligen Türen versteckt sich eine Überraschung nach der anderen. Unter dem Motto „Schnuppern und Mitmachen konnte am Freitag zwischen 18 und 24 Uhr jeder, der Lust dazu hatte, ohne Anmeldung einen Blick in die Vielfalt des Volkshochschulangebots werfen. Wer sich gleich für einen Kurs für das kommende Semester entschied, erhielt sogar 10 Euro Rabatt auf die Kursgebühr.

Mit der Langen Nacht feierte die VHS Stuttgart gleichzeitig mit rund 400 anderen Volkshochschulen in Deutschland den 100. Geburtstag der Bildungseinrichtung. Die Stuttgarter Volkshochschule hatte Robert Bosch und der christliche Gewerkschafter Theodor Bäuerle im Jahr 1919 gegründet. Unterstützt wurde die erste Lange Nacht in der Geschichte der VHS Stuttgart neben der Robert-Bosch-Stiftung auch durch die BW-Bank, die VHS-Direktorin Dagmar Mikasch-Köthner am Freitagabend einen Spendenscheck über 6000 Euro überreichte. Die Direktorin betonte, dass der Anspruch der Volkshochschulen heute genauso aktuell sei, wie in den Gründungsjahren nach dem Ersten Weltkrieg: „Mit und voneinander lernen, Austausch und Dialog sind wesentliche Grundlagen, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen.“

Die lange Geschichte der VHS

An die hundert Jahre währende Geschichte der VHS knüpft auch eine Ausstellung an, die noch bis zum Jahresende im Treffpunkt Rotebühlplatz zu sehen ist: Mit Textzitaten aus den VHS-Programmheften der 1920er- und 1930er-Jahre, die an den Betonsäulen im Erdgeschoss angebracht wurden, soll ein „Stimmungsbild der Gründerjahre“ der Bildungseinrichtung lebendig werden. Beim Lesen der historischen Programmtexte wird auch deutlich, dass Bildung für alle in jenen Jahren noch keineswegs selbstverständlich war. Weshalb in einem der ersten Kursprogramme auch eigens erklärt werden musste, welche Hörer für die Vorträge und Kurse „in Betracht“ kamen: „Personen beiderlei Geschlechts ohne Rücksicht auf Beruf, Konfession oder Partei, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben“.

An was in den Zwanzigerjahren freilich noch niemand dachte: Dass auch behinderte Menschen an Bildung teilhaben wollen. Die Zumba-Party im Robert-Bosch-Saal, bei der Interessierte mit und ohne Beeinträchtigung an diesem Abend zu lateinamerikanischen Rhythmen hüpften und tanzten, bis der Boden bebte, ist heute nur eines von vielen inklusiven Kursangeboten der VHS. Ob Sprachen oder Kochen lernen, den Umgang mit dem Computer üben oder gemeinsames Tanzen – all das lässt sich auch in Kursen machen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam lernen. Eine Erfahrung, die vielleicht mancher am Freitagabend in der Volkshochschule ganz spontan zum ersten Mal gemacht hat. Nicht nur deshalb könnte die Lange Nacht der Volkshochschule ein Konzept sein, das sich lohnt, wiederholt zu werden.