Die Fechtabteilung erarbeitet sich seit Jahren bundesweit einen guten Ruf.

Ditzingen - Es gibt sie in allen Sportarten, die Geschichte vom großen Verein aus der kleinen Stadt. Man denke an die TSG Hoffenheim oder den SV Sandhausen in den Fußball-Bundesligen, an die SG BBM Bietigheim, die in der kommenden Saison erstklassig Handball spielen wird, oder eben an die TSF Ditzingen, die im Fechten zu den besten Clubs des Landes gehören. Das zeigen nicht nur die zahlreichen Titel sondern auch die vier Fechtmeister, die für eine hochwertige Ausbildung sorgen. Bis es allerdings so weit kam, dauerte es seine Zeit.

 

1972 besuchte Friedrich Lückgens die Olympischen Spiele in München. Das Säbelfechten zog ihn derart in seinen Bann, dass er sich eine eigene Abteilung in Ditzingen wünschte. Als er kurz darauf den Vorsitz des Gesamtvereins der TSF übernahm, beauftragte er Helmut Früh, ebenjene aufzubauen. Früh, der im Ditzinger Rathaus arbeitete, war bereits 1951 mit dem „Fechtvirus“ infiziert worden, als er der Sportart erstmals auf dem Hof seiner Stuttgarter Schule begegnete. Ein Jahr zuvor war Fechten nach dem kriegsbedingten Verbot erst wieder erlaubt worden. Früh meldete sich beim MTV Stuttgart an und focht dort nicht nur aktiv, sondern war auch zehn Jahre lang Abteilungsleiter.

Der erste Übungsabend war 1975

Nach einigen Jahren beim TV Cannstatt verschlug es ihn mit seiner Frau, die er im Verein kennengelernt hatte, berufsbedingt nach Ditzingen. Der gemeinsame Sohn Bernd focht weiterhin in Cannstatt, irgendwann wurde die Strecke zu weit. So führte das besagte Treffen zwischen Lückgens und Früh letztlich zur Abteilungsgründung am 17. Januar 1975. Eine Woche später fand bereits der erste Übungsabend statt – mit rund 70 Fechtern. Die Anzeigen in der Zeitung und die Mund-zu-Mund-Werbung hatten ihre volle Wirkung entfaltet. Mit Früh und Lückgens, deren Söhnen Bernd beziehungsweise Volker sowie Bruno Kachur waren einige der bekanntesten Namen des Vereins bereits von der ersten Stunde an dabei.

Der nächste Schritt erfolgte mit der Akquise des Fechtmeisters Walter Kamm, den Früh noch aus seiner Zeit beim MTV Stuttgart kannte. Unter seiner Leitung stiegen nicht nur das Niveau, sondern auch die Mitgliederzahlen rasch an. Die fortgeschrittenen Fechter nahmen die Neuen unter ihre Fittiche, sodass sich auch diese schnell verbesserten. Entgegen der heutigen Praxis dauerte es damals noch mehrere Monate, bis ein Fechter die Grundausbildung abgeschlossen hatte und zum ersten Mal eine Waffe in die Hand bekam. Nach einem Jahr war man dann bereit für die Prüfung zur Wettkampfzulassung.

Innerhalb weniger Jahre stellten sich die ersten Erfolge ein, zunächst auf württembergischer, später auch auf nationaler und sogar internationaler Ebene. Parallel dazu sorgten Früh und Lückgens dafür, dass die Ausstattung auf Stand blieb. Aus der Papierfabrik eines Bekannten besorgten sie sich das Material für die Kampfbahnen und bauten diese dann selbst. Doch der Einsatz für das Allgemeinwohl der Mitglieder ging weit über die rund 20 Stunden pro Woche hinaus. Um die zahlreichen Jugendlichen am Wochenende zu ihren Wettkämpfen bringen zu können, schaffte sich Früh extra einen Kleinbus als privates Fahrzeug an.

Eine vielversprechende neue Generation

Heute zählt die Abteilung unter der Leitung von Volkhart Weizsäcker rund 200 Mitglieder und vier Fechtmeister. „Trotz seines Status als Randsportart ist das Fechten eines der TSF-Aushängeschilder“, sagt Früh stolz: „Fechten ist sehr personalaufwendig. Aufgrund der vier Fechtmeister können wir aber jedem Mitglied eine Lektion, sprich ein Einzeltraining mit dem Fechtmeister, pro Woche garantieren. Die kostet zwar zusätzlich, garantiert aber eine hochwertige individuelle Ausbildung.“ Das schlägt sich auch in den aktuellen Resultaten 2018 nieder. Mit vorderen Platzierungen auf Landesebene im Jugendbereich, Podestplätzen bei den deutschen Juniorenmeisterschaften von Kerstin Greul und Samuel Hochwald sowie Greuls Teilnahme an der Jugend-Weltmeisterschaft und -Europameisterschaft macht sich eine vielversprechende neue Generation auf, an die alten Erfolge anzuknüpfen.

Damit diese beste Voraussetzungen vorfindet, soll in der Stadt die Infrastruktur verbessert werden. Die Fechter freuen sich schon auf die neue geplante Schulturnhalle in der Glemsaue: Die Verankerung der für Fechtwettkämpfe notwendigen Technik in der Wand wird künftig zeitaufwendige Auf- und Abbauarbeiten ersparen. Auch an die Nachwuchsarbeit denken die Fechter. Die TSF bieten im Rahmen des Projekts „Kooperation Schule-Verein“ an den beiden Ditzinger Grundschulen eine Fecht-AG an.

Kameradschaft wird groß geschrieben

Helmut Früh ist heute zwar noch TSF-Mitglied, ficht aber inzwischen einmal pro Woche bei den Senioren in Ludwigsburg. Wie fit er noch ist, beweist die Tatsache, dass er vor einigen Jahren als einziger Fechter in der Altersklasse Ü 70 noch kampflos Titel gewann. Vor drei Jahren absolvierte er im stolzen Alter von 79 Jahren bei den Vereinsmeisterschaften seinen letzten Wettkampf. Sein persönlicher sportlicher Höhepunkt war der Gewinn der deutschen Vizemeisterschaft 1995 mit der Mannschaft. Für die Zukunft der Abteilung hat er den Wunsch, dass es so weitergeht wie es unter ihm begonnen hat: „Ich habe immer für Kameradschaft gesorgt und wollte, dass sich die anderen wohlfühlen. Die Mitglieder sollen Spaß haben und Erfolge feiern, die Abteilung soll weiter wachsen.“ Von seinen Vereinskollegen erfährt er dafür Anerkennung und Dankbarkeit. „Wir haben motivierte Mitglieder, die den anderen Begeisterung vermitteln. Das sorgt in Kombination mit der richtigen Mischung der Trainer aus Strenge, Einfühlungsvermögen und Humor für Erfolge und dafür, dass kaum Leute wegbrechen. Helmut Früh hat die Abteilung dafür in Schuss gebracht“, sagt der Abteilungschef Volkhart Weizsäcker. Auch Friedrich Lückgens findet lobende Worte: „Seine Dynamik und sein Fanatismus sind einmalig und haben der Abteilung viel gegeben.“ Genau wie die Abteilung Früh viel gegeben hat.

Die Erfolgsliste der Ditzinger Fechter


Die Fechter der TSF Ditzingen sind sowohl mit dem Degen als auch mit dem Florett erfolgreich unterwegs. Erfolge gibt es einige vorzuzeigen – im Einzel und mit der Mannschaft.

Ingo Grausam (von 1981 bis 1990 und seit 2001 für die TSF): Deutscher U20-Meister Degen Einzel 1990, Europameister Aktive mit der Degen- Mannschaft 1991

Bruno Kachur (seit 1975 bei den TSF Ditzingen): Weltmeister Senioren Degen Mannschaft 2016, Europameister Senioren Florett (2014) und Degen (2006) Mannschaft, vier zweite Plätze bei EM oder WM der Senioren in Degen oder Florett Einzel oder Mannschaft, mehrmaliger Deutscher Meister der Senioren im Florett und Degen Einzel

Samuel Unterhauser (bis 2013): Weltmeister Junioren Degen Mannschaft 2015, zwei Mal Deutscher Meister des Jahrgangs 1997 Degen Einzel 2010 und 2011. Seit 2013 ist Unterhauser beim FC Tauberbischofsheim.

Ursel Willrett (seit 1975): Ü50-Europameisterin Degen Mannschaft 2012

Simon Greul (seit 2007): Deutscher Meister des Jahrgangs 1998 Degen Einzel 2010

Kerstin Greul (seit 2008): Deutsche Meisterin Jahrgang 2002 Degen Einzel 2010

Igor Borrmann (seit 1999): Europameister Senioren Degen Mannschaft 2006, Nominierung für die Olympischen Spiele 1980, durfte wegen des BRD-Boykotts aber nicht antreten.

Mannschaft Herrendegen: Dreimal Gewinner des Deutschlandpokals 2003, 2006 und 2013

Mannschaft Senioren Herrendegen: Zweimal deutscher Meister 2002 und 2010

Mannschaft Senioren Damendegen: Fünfmal deutsche Meister 2004, 2006, 2009, 2010 und 2013.