Großer Andrang herrschte bei der Eröffnung der 15. Triennale Kleinplastik in Fellbach. Viele Arbeiten der mehr als 50 Kunstschaffenden beschäftigen sich mit der Frage nach Eigentum und Herkunft von Objekten.

Wenn Dinge sprechen könnten – was würden sie wohl berichten? Was würden etwa jene knapp tausend Kostbarkeiten aus der Sammlung erzählen, welche die Künstlerin Alice Cantaluppi von ihrem Vater geerbt hat: eine Schar faszinierender Wesen, die an Drachen und Vögel erinnern, teils Pferden und Kühen ähneln. Rund 200 davon sitzen seit dem Wochenende auf einem Podest in der Alten Kelter Fellbach – als ein Beitrag zur 15. Triennale Kleinplastik, die dort am Samstag eröffnet wurde. Die Künstlerin hat dieser Ansammlung exotischer Kleinskulpturen den Titel „If treasures could talk“ gegeben. Doch die Schätze sprechen nicht – und so versucht Alice Cantaluppi seit Jahren vergebens herauszufinden, woher die Figuren aus der Sammlung ihres Vaters stammen.

 

Eine Schau mit „kompromissloser Aktualität“

Die Frage von Eigentum, Herkunft und Umgang damit, welche Cantaluppi umtreibt, spielt auch eine wichtige Rolle bei der 15. Triennale. Sie trägt den Titel „Die Vibration der Dinge“ und beschäftigt sich mit der Energie, die von Objekten ausgeht, und der Resonanz, die sie beim Betrachtenden erzeugen. Beim Festakt im proppenvollen Zelt neben der Alten Kelter begrüßte die Fellbacher Oberbürgermeisterin Gabriele Zull als erstes Gretel Kiel, die Frau des im April verstorbenen Alt-Oberbürgermeisters Friedrich-Wilhelm Kiel. Dieser hatte im Jahr 1980 die Schau ins Leben gerufenen und damit, so Zull, „eine der größten Kunstausstellungen für kleine Skulpturen weltweit“ initiiert. Zull hob in ihrer Rede die „kompromisslose Aktualität“, die „Risikobereitschaft der Veranstalter“ und die „hohe Qualität der künstlerischen Leitung“ hervor und betonte: „Kunst ist kein weicher Standortfaktor, sondern systemrelevant, auch wenn das in den vergangenen Monaten in Zweifel gezogen wurde“. Nicht so der Gemeinderat Fellbach und die vielen Sponsoren, welche die aufwendige Schau mit mehr als 50 Kunstschaffenden aus aller Welt tatkräftig unterstützten. Die Rathauschefin dankte auch Heribert Sautter, dem Ausstellungsleiter und Leiter der Städtischen Galerie Fellbach, für den die aktuelle Triennale bereits die elfte ist.

Land hat Förderung für Triennale Kleinplastik aufgestockt

Die Tatsache, dass das Land Baden-Württemberg die Fördermittel für die aktuelle Triennale aufgestockt habe und dass die Landespolitik bei der Eröffnung stark vertreten sei, zeige das Gewicht dieses „ganz besonderen Sommerhighlights“, sagte Petra Olschowski, die Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Den wechselnden Kuratoren der Triennale Kleinplastik bescheinigte sie, „ein immer waches Auge auf Entwicklungen rund um den Globus“ zu haben.

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Der Kuratorin Elke aus dem Moore sei es in Fellbach mit der „Vibration der Dinge“ gelungen, ganz verschiedene Perspektiven nebeneinander zu stellen und neue Sichtweisen zu eröffnen. Die Wirkkraft von Gegenständen auf ihre Betrachter – Petra Olschowski hat sie bei einer Reise nach Namibia selbst erlebt. Anlass war die Rückgabe der Familienbibel und einer Peitsche des Nama-Führers Hendrik Witbooi gewesen. Diese hatten deutschen Truppen im Jahr 1893 erbeutet, durch eine Schenkung waren sie 1902 in die Sammlung des Lindenmuseums gelangt. Die Rückgabe im Jahr 2019 war die erste Restitution kolonialer Kulturgüter aus einem Museum in Baden-Württemberg gewesen. „Die Menschen haben das gefeiert, sie sind Schlange gestanden, um die Gegenstände zu sehen und anzufassen. Die Resonanz von Objekten war da deutlich spürbar“, erzählte Olschowski.

Rückgabe von Gegenständen an die Herkunftsländer

Dem Land sei seine Verantwortung bei der Aufarbeitung der Kolonialzeit und ihrer Folgen bewusst: „Für uns ist wichtig, dass die Anerkennung des Unrechts nur ein erster Schritt ist.“ In Deutschland spreche man ja gerne von Erinnerungskultur: „Die Menschen in den Herkunftsländern brauchen diese Gegenstände zurück, um ihre Geschichte erleben zu können.“

Nicht nur im Hinblick auf die Frage nach Eigentum und Verantwortung befinde sich die Welt in einer Zeit der großen Transformation, sagte die Triennale-Kuratorin Elke aus dem Moore: „Neue Formen des Miteinanders mit allen Lebewesen sind nötig.“ Die Kuratorin zählte in ihrem Grußwort die Namen der mehr als 50 teilnehmenden Kunstschaffenden aus aller Welt auf. Und dankte ausdrücklich „allen Menschen und anderen lebenden Wesen aus Flora und Fauna“. Sie ergänzte, auch Objekte seien lebendig: „Sie vibrieren und erzeugen Resonanz, sie gehen auf Reisen.“ So auch die erstmals in Deutschland ausgestellten Arbeiten der aus Litauen stammenden Nijolė Šivickas, die von 1946 bis 1950 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart studierte und in Fellbach wohnte, bevor sie nach Kolumbien auswanderte. Anlässlich der Triennale ist nun ihr Enkel nach Fellbach gekommen.

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Wissenswertes
Die 15. Triennale Kleinplastik findet bis 3. Oktober in der Alten Kelter Fellbach statt. Sie ist dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr und an Wochenenden sowie am 3. Oktober von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Am 4. Juli sowie am 2. und 3. Oktober ist der Eintritt frei. Ansonsten zahlen Erwachsene zehn Euro, der ermäßigte Preis liegt bei fünf Euro. Kinder bis zwölf Jahre sind frei. Ein Ticket für Gruppen ab zehn Personen kostet pro Person acht Euro, Dauerkarten 25 Euro. Führungen sind donnerstags, 19 Uhr, und sonntags um 11 und 15 Uhr.

Ausstellung
In der städtischen Galerie Fellbach wird am 9. Juni, 19 Uhr, eine Ausstellung mit Arbeiten von Nijolė Šivickas eröffnet. Sie stammte aus Litauen, studierte in Stuttgart und lebte währenddessen auch in Fellbach. 1950 wanderte sie nach Kolumbien aus, wo sie 2018 starb. Das Grußwort spricht der Erste Bürgermeister Johannes Berner, die Triennale-Kuratorin Elke aus dem Moore führt in das Werk der Künstlerin ein. Die Ausstellung läuft bis 4. September und ist dienstags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.