Andreas Müller fühlt sich bei der TSG 1899 Hoffenheim gut aufgenommen und will ein „Manager zum Anfassen“ sein. Doch er muss vor dem Spiel in Stuttgart auch gegen Vorbehalte kämpfen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Hoffenheim - Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, doch er hat keinen erwidert. Andreas Müller schaute weder nach rechts noch links, als er seinen neuen Arbeitsplatz im Stadion einnahm. Babbel, Widmayer, Müller – das ist die Sitzordnung auf der Bank der TSG 1899 Hoffenheim. Jetzt wird zusammengerückt – und vor allem der Cheftrainer Markus Babbel scheint etwas Nestwärme vermisst zu haben.

 

„Die Gespräche mit Andreas Müller“, sagt Babbel und wiederholt sich gerne, „tun mir gut.“ Denn in dem Manager sieht der Coach nun einen Mann an seiner Seite, dem er Fußballkompetenz zuspricht. Jemand, der wie Babbel selbst „lange in der Bundesliga gespielt und auch Titel gewonnen hat“ – und so nach Babbels Einschätzung genau weiß, wovon er redet.

Müllers Vita zeigt vor allem, dass er es bei einem der emotionalsten Vereine in Deutschland sehr lange ausgehalten hat, dem FC Schalke 04. Er war dort Mannschaftskapitän, gehörte zur Generation der Eurofighter, die 1997 den Uefa-Pokal gewann, und wechselte nach seiner Spielerkarriere erst in das Management und später in den Vorstand der Gelsenkirchener.

Assauers moderater Nachfolger auf Schalke

Es ist also anzunehmen, dass sich Müller mit den Gepflogenheiten einer aufgeregten Branche ebenso auskennt wie im Innenleben eines Vereins. Zumal er 2006 die Nachfolge des oft polternden Rudi Assauer antrat. Moderat ist Müller das damals angegangen. Und da es offensichtlich seinem Naturell entspricht, versucht er auch bei den kriselnden Hoffenheimern Ruhe auszustrahlen. Wobei es eine Wechselwirkung zu geben scheint. „Ich fühle mich gut aufgenommen im Verein“, sagt Müller.

Willkommen also im Club der Empfindlichkeiten. Groß ist die Angst in den Abstiegskampf zu geraten. Doch die Kraichgauer verfügen andererseits nicht nur über ein herrschaftliches Trainingsanwesen, sondern ebenso über die Gabe, sich Probleme selbst zu schaffen: wechselnde Trainer, widersprüchliche Philosophien, viele Egoismen im Kader, wenig Gemeinsinn im Verein, die Macht des Mäzens Dietmar Hopp, der vermeintliche Einfluss von Spielerberatern auf die Vereinspolitik – und und und.

Müller kommt nun die Aufgabe zu, sich möglichst schnell in diesem Geflecht der strapazierten Befindlichkeiten zurechtzufinden. Jede Trainingseinheit hat er dazu seit seinem offiziellen Amtsantritt am vergangenen Donnerstag verfolgt, sich ständig mit Markus Babbel und dessen Assistenten Rainer Widmayer ausgetauscht und auch eine Mannschaftsansprache gehalten. Das Ergebnis: der erste Saisonsieg.

Dienstreise zu den Wurzeln: nach Stuttgart

Wobei Müller nicht so vermessen ist, diesen für sich in Anspruch zu nehmen. „Das Trainerteam hat einen klaren Plan ausgegeben, und dieser wurde von der Mannschaft leidenschaftlich umgesetzt“, sagt Müller, dessen erste Dienstreise ihn am Mittwoch zu seinen fußballerischen Wurzeln führt: den VfB Stuttgart.

Doch so wohltuend Müllers Art nach innen wirkt, so argwöhnisch wird er von außen betrachtet. Denn ihm wird eine gewisse Nähe zu der Spieleragentur Rogon und dessen Chef Roger Wittmann nachgesagt. Und wer den Manager von 1899 aus der Reserve locken will, braucht ihn nur auf dieses Verhältnis anzusprechen. „Das langweilt mich“, sagt Müller dann zwar, aber es wird unmittelbar danach klar, dass es ihn vielmehr ärgert, „weil da Unwahrheiten und Halbwahrheiten“ kursieren.

Eine Frage von Nähe und Distanz

Wahr ist, dass Müller während seiner Schalker Managerzeit bis 2009 reichlich Spielerverpflichtungen über Rogon abwickelte. „Doch dabei ging es immer nur um Qualität“, sagt der 49-Jährige. „Wenn ein Roger Wittmann Spieler wie Marcelo Bordon, Kevin Kuranyi, Lincoln oder Ailton teilweise ablösefrei bringen kann, dann muss man sich damit beschäftigen.“

Gegen den Vorwurf der Klüngelei wehrt sich Müller aber vehement, so wie sich die Clubführung dagegen verwahrt, dass Wittmann bei Müllers Verpflichtung eine Rolle gespielt habe. Den Kontakt stellte der Geschäftsmann Jürgen Harder her, wie Wittmann einer aus Hopps privatem Netzwerk.

Und es ist nicht schwer zu erahnen, dass die Frage der Nähe beziehungsweise Distanz zu den handelnden Figuren Müllers Anfangszeit in Hoffenheim bestimmen wird. Heranrücken will Müller jedenfalls an die Fans. Mit einigen Vertretern von ihnen trifft er sich morgen, schließlich will Müller „ein Manager zum Anfassen“ sein.