Die Diakonie der evangelischen Brüdergemeinde Korntal besteht im November 2023 seit 200 Jahren. Die Gemeinde eröffnet das Jubiläumsjahr an diesem Wochenende.

Was wäre gewesen, wenn der Postkutscher den Betteljungen nicht gesehen hätte? Die Antwort darauf bleibt Spekulation. Doch jener Sonntag im Jahr 1822 markierte den Beginn der Diakonie, die heute unter anderem ein Altenpflegeheim, eine Schule und mehrere Kinder-und Jugendhilfeeinrichtungen verantwortet. Mit einem Festwochenende startet die Diakonie der Brüdergemeinde Korntal in ihr Jubiläumsjahr. Nach dem Festakt wird am Sonntag ein Gottesdienst gefeiert.

 

Eine der ältesten diakonischen Einrichtung Württembergs

Die Diakonie der evangelischen Brüdergemeinde Korntal mit aktuell rund 600 Mitarbeitenden an Standorten in Korntal-Münchingen, Vaihingen/Enz und im oberschwäbischen Wilhelmsdorf zählt nach eigenen Angaben zu den ältesten diakonischen Einrichtungen in Württemberg.

Als an jenem Sonntag im Jahr 1822 – es war die Zeit sozialer Umwälzungen im Zuge der Napoleonischen Kriege – der Betteljunge durch Korntal zog und im Gemeindegasthaus, dem heutigen „Landschloss“, um Almosen bat, war ein Postkutscher anwesend. Berührt vom Elend des Betteljungen und in Kenntnis der Pläne von Gottlieb Wilhelm Hoffmann, soll der Kutscher Hoffmann, dem Gründer der Brüdergemeinde, ein 24-Kreuzer-Stück mit den Worten gegeben haben: „Lassen Sie diesen Gedanken nicht mehr fahren.“ Hoffmann hatte die Idee, ein Haus für diese heimatlosen Kinder zu bauen.

Der Impuls des Postkutschers soll für Hoffmann entscheidend gewesen sein. Ein Jahr später, am 9. November 1823, wurde die sogenannte Kinderrettungsanstalt eingeweiht – das erste Kinderheim in Korntal.

Vom Heim zum Jugendhilfeträger

Dabei blieb es nicht. Es entstand alsbald ein Kindergarten, einer der ersten – wenn nicht der erste – im Land. Wohn- und Pflegeheime für Witwen und betagte Menschen wurden eingerichtet, auch Bildungseinrichtungen wie die einstige Lateinschule und die Heimschule, heute ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung.

Inzwischen ist die Diakonie der pietistischen Gemeinde ein vor allem im Landkreis fest verankerter Jugendhilfeträger. Sie verantwortet darüber hinaus einen Schulbauernhof, auf dem Schulklassen sich mit der Herkunft von Lebensmitteln befassen. Ein bedeutsames Thema für die künftige Arbeit sei zudem das Leben im Alter, sagt der Sprecher der Brüdergemeinde, Gerd Sander. Die Frage sei: „Wie können wir als Gesellschaft Alter gestalten?“

Festgottesdienst: Sonntag, 6. November, ab 10.30 Uhr im Großen Saal der evangelischen Brüdergemeinde, Saalplatz Korntal.