24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir, wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 8 und 9 Uhr nehmen die Mitarbeiter der Rettungsleitstelle permanent Telefongespräche entgegen – und koordinieren die Hilfe.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Ludwigsburg - 8 Uhr: ein Anrufer meldet eine hilflose Person in Benningen. Tanja Lutz nimmt die Daten auf, fragt nach. Was genau ist wo genau passiert? Dann veranlasst die Disponentin der Integrierten Leitstelle (ILS) im Gebäude Marienstraße 22 in Ludwigsburg, dass ganz schnell Hilfe geschickt wird. „Der Rettungswagen ist schon raus“, sagt die 44-jährige Stadthauptbrandmeisterin. Nur einen Augenblick später kommt der nächste Notruf per Telefon. Diesmal ist die Feuerwehr gefragt. Der Keller eines Hauses in Ludwigsburg steht unter Wasser. So geht das weiter, auf jeden Anruf folgt im Nu der nächste.

 

Eine Frau meldet sich, erzählt, dass ihre Mutter starke Schmerzen habe. Diesen Anruf nimmt einer von Tanja Kurz’ Kollegen entgegen. Er bittet darum, die Mutter zu sprechen. „Sie bluten aus dem Mund?“, fragt er. „Müssen Sie sich übergeben?“ Dann die Bitte: „Legen Sie die Beine hoch. Die Kollegen sind auf dem Weg.“ Jetzt ist wieder die Tochter der Patientin am Apparat, sie solle unbedingt wieder anrufen, falls ihre Mutter das Bewusstsein verlieren sollte.

Hektik kommt in diesem Raum nicht auf

Tanja Lutz ist seit zwei Stunden im Dienst, ihre Schicht dauert noch bis 13 Uhr. An diesem Morgen an einem ganz gewöhnlichen Werktag sitzen insgesamt fünf Disponenten an den Telefonen der Leitstelle. Sie koordinieren alle Einsätze von Feuerwehr und Rettungsdienst, planen die Krankentransporte in die Kliniken.

Obgleich andauernd die Telefone klingeln: Hektik kommt in diesem Raum nicht auf. Alle Disponenten bleiben ruhig, reden geduldig mit den Anrufern, die mitunter völlig aus dem Häuschen sind. Tanja Lutz sagt, das sei doch völlig normal, dass die Anrufer aufgeregt sind. „Viele melden sich das erste Mal in ihrem Leben bei uns.“ Also sei Fingerspitzengefühl gefragt. Ein Patient ist auf der Toilette kollabiert, Hilfe wird geschickt. Die Feuerwehr, die zum Wasserrohrbruch gekommen ist, arbeitet bereits vor Ort, pumpt den Keller leer, organisiert einen Handwerker. Tanja Lutz hat fünf große Bildschirme auf ihrem Schreibtisch stehen. Sie kann jederzeit auf einer Landkarte sehen, wo sich welcher Wagen befindet.

Ein Anruf und der Hubschrauber hebt ab

Jetzt hat Stefan Fritz, der Disponent am Platz neben Tanja Lutz, einen Anrufer am Apparat, der von einem Unfall in Oberstenfeld berichtet. Ein Mann hat sich schwer an der Wirbelsäule verletzt. Der Notarzt und ein Rettungswagen sind bereits da. Um den Patienten mit der Wirbelfraktur aber schnell ins Krankenhaus zu bringen, sollte ein Rettungshubschrauber kommen, so die Auskunft der Rettungssanitäter aus Oberstenfeld. Der Helikopter, der in Pattonville stationiert ist, kann wegen der Wetterlage aber nicht starten. Ein Anruf in Leonberg, wo ebenfalls ein Hubschrauber steht. Dieser kann starten und hebt wenig später auch schon ab.

Gegen halb neun Uhr laufen elf Einsätze parallel. Das, sagt Stefan Fritz, seien vergleichsweise wenige. Mitunter müssten bis zu 25 Einsätze zeitgleich koordiniert werden. Die Disponenten haben Routine. Tanja Lutz zum Beispiel arbeitet seit 19 Jahren bei der Feuerwehr. Zudem fährt die gelernte Maschinenbaumechanikerin in ihrer Freizeit gelegentlich selbst für das DRK Einsätze, „ein bis zweimal im Monat“. Bei der Leitstelle, die rund um die Uhr besetzt ist, arbeitet sie – wie alle anderen Kollegen – im Schichtdienst. Mal mitten in der Nacht, mal spät abends und mal, wie an diesem Tag, von morgens bis mittags. So richtig gewöhnen könne sie sich nicht an die ständig wechselnden Arbeitszeiten. Trotzdem mache der Beruf Spaß. Helfen, sagt Tanja Lutz, sei nicht nur ihr Beruf, sondern wohl auch ihre Berufung.

Jährlich gut 300 000 Notrufe

8.40 Uhr: Stefan Fritz hat eine ältere Dame am Telefon, die nur nachfragen will, ob das Auto, das sie zu einer Routineuntersuchung in eine Klinik bringen soll, auch pünktlich kommt. „Der Wagen ist unterwegs“, sagt er und legt den Hörer schnell wieder auf. Tanja Lutz erzählt, dass mitunter Leute anriefen, die eigentlich nicht in Not seien. Immer wieder meldeten sich Menschen zum Beispiel wegen einer Katze auf einem Baum oder in einem Rohr.

Einmal habe eine offenbar verwirrte Seniorin gegen 1.30 Uhr in der Nacht angerufen, nur um sich zu erkundigen, wie spät es eigentlich ist. „Aber bei älteren Menschen, die schlecht schlafen, kann man so etwas mal verzeihen.“ Im Vergleich zu früher kämen bei den Rettungsdiensten immer mehr unnötige Anrufe an, was vermutlich auch daran liege, dass jeder ein Handy besitze. Laut Auskunft des Leiters der ILS, Roland Kocher, werden jährlich gut 300 000 Notrufe gezählt.

Kurz vor neun Uhr meldet Stefan Fritz dem Kreiskrankenhaus Ludwigsburg, dass in wenigen Minuten der Patient mit der Wirbelverletzung aus Oberstenfeld per Hubschrauber eingeliefert wird. Die Ärzte können sich auf die Akutversorgung des Schwerverletzten vorbereiten. Der Rettungswagen, der zunächst nach Oberstenfeld geschickt worden war, um den Mann abzuholen, wird zum nächsten Einsatzort gelotst, ebenfalls in Oberstenfeld.

Zwischen 8 und 9 Uhr sind an den Telefonen der Integrierten Leitstelle 104 Gespräche angenommen worden. Die Disponenten haben 21 Notfallrettungen koordiniert, einmal die Feuerwehr in Gang gesetzt und 26 Krankentransporte abgewickelt. Eine durchschnittliche Stunde an einem ganz gewöhnlichen Morgen.