24 Stunden Ludwigsburg – in einer 24-teiligen Serie erzählen wir, wie die Ludwigsburger und die Gäste der Stadt leben und arbeiten. Zwischen 21 und 22 Uhr ist das Scala brechend voll. Die Reihe „Tanz im Scala“ kommt gut in der Altersgruppe um die 45.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Ludwigsburg - Draußen vor dem Eingang in der Stuttgarter Straße in Ludwigsburg stehen gegen 21 Uhr ein paar Männer und Frauen und staunen. Manche ärgern sich. Sie haben sich schick gemacht und wollen mal wieder tanzen gehen, so wie damals in ihrer Jugend in einer Disco. Länger her. Aber das Scala ist geschlossen. Wegen Überfüllung kommt niemand mehr rein. Vorerst jedenfalls nicht. Nur wer eine Karte vorbestellt hat, wird noch eingelassen in den Kulturschuppen.

 

520 Tickets seien verkauft worden, erklärt die Dame hinter dem Tresen. Und mehr gehe halt nicht, sorry. Im Foyer des Lichtspielhauses ist es brechend voll. Ein paar Geduldige warten, hoffen, dass sich der eine oder andere Tänzer vielleicht entscheidet, vorzeitig heim zu gehen. Nur dann, sagt die Kassiererin, könnten andere noch Einlass bekommen.

Die Altersgruppe plus-minus 45 im Blick

Kerstin Leibbrand ist eine der Glücklichen, die eine Karte hat. Die Blondine mit dem strahlenden Lachen kommt aus Ingersheim, man könnte sie als Abbild der Zielgruppe der laufenden Tanzveranstaltung bezeichnen. Das Scala hat nämlich die Altersgruppe um die 45 im Blick – und Kerstin Leibbrand ist genau 45 Jahre alt. Sie steht an einem Tisch in der Nähe der Bar und erzählt, dass ihre Cousine Marion Bürkle sie mit her geschleppt hat. Jene Cousine will ihr Alter nicht lieber verraten. Sie sagt nur so viel: „50 plus.“

Noch ist auf der Tanzfläche fast nichts los. Aus den Lautsprecherboxen singt Adel. Kerstin Leibbrand fragt sich, die Cousine und die beiden anderen Frauen an ihrem Stehtisch: „Wann wird denn endlich getanzt?“

Die meisten Gäste an diesem Abend im Scala sind älter als 45. Und wen man auch fragt: fast alle sagen, die Idee, den Kinosaal vorübergehend in eine Discothek zu verwandeln, sei super. Inzwischen wird im Saal auch ordentlich geschwoft. Der DJ spielt bevorzugt alte Songs. Mal donnern die Doors aus dem Lautsprechern, später Jimi Hendrix. Einige Besucher erzählen auf Nachfrage, dass sie das Scala eigentlich als plüschigen Kinosaal in Erinnerung haben. Manch einer hat hier vermutlich zum erstem Mal im Leben in den hinteren Reihen bei Dunkelheit geknutscht. Ein Mann sagt, dass er Mitte/Ende der 1980er-Jahre im Scala ein Konzert einer damals noch weniger bekannten Bietigheimer Band gehört habe: Pur. Viele schwelgen in Erinnerungen. Auch Marion Bürkle, sie sagt: „Unsere Eltern sind als junge Leute schon im Scala ins Kino gegangen.“

Wirklich glücklich schaut der Mann nicht

Das Konzept für die neue Veranstaltungsreihe gehe ganz offenkundig auf, sagt Birgit Jülicher, die Assistentin des Scala-Geschäftsführers. Beim ersten Tanz im Scala seien rund 350 Gäste gezählt worden, beim zweiten 450 und jetzt, bei der dritten Ausgabe, noch mal fast 100 mehr.

Die hinteren Stuhlreihen im Kinosaal sind für den Tanz nicht ausgebaut worden. Hier haben sich zwei ältere Ehepaare niedergelassen. Es ist ohrenbetäubend laut, unterhalten ist kaum möglich. Jetzt singt Janis Joplin, die US-amerikanische Rocksängerin ist schon 1970 gestorben. Sie wäre jetzt Mitte 70, etwa so alt wie die Damen und Herren auf den hinteren Plätzen.

Ein Mann, geschätzt Mitte 50, sitzt mutterseelenallein auf einem Stuhl im Foyer, er spickt ab und zu in Richtung Tanzfläche. Ist er wirklich allein gekommen? Wie manch ein Kerl anno dazumal in der Jugend, um eine Mädchen kennenzulernen? Wer weiß. Wirklich glücklich schaut er nicht aus. Womöglich hat ihn die Gattin mitgeschleppt, und die tanzt jetzt zu Michael Jackson. Wenig später plaudert der Herr angeregt mit einer Frau. Mit seiner Frau? Oder mit einer neuen Bekanntschaft?

Nächster Tanz im Scala am 22. April

Gegen 22 Uhr treten tatsächlich ein paar Besucher schon wieder den Heimweg an, ihre Karten werden an die immer noch wartenden Männer und Frauen vergeben. Diese haben also Glück gehabt, die Veranstaltung soll ja immerhin bis gegen 2 Uhr in der Nacht andauern.

Aber längst nicht alle, die in dieser Nacht spontan vorbei schauen im Scala, bekommen ebenfalls Einlass. Birgit Jülicher schaut nach vorne. Sie drückt möglichst jedem, der das traditionelle Kulturhaus verlässt, ein winzig kleines Zettelchen in die Hand. Darauf ist zu lesen: nächster Tanz im Scala ist am 22. April.