Die Kunstakademie in Stuttgart feiert am Samstag im Neuen Schloss ihren 250. Geburtstag – ein Gespräch mit der Rektorin Petra von Olschowski.

Stuttgart - Am 25. Juni 1761 ließ Herzog Carl Eugen von Württemberg die Stiftung einer Kunstakademie in Stuttgart bekanntgeben. Wo die Akademie heute steht, erklärt die Chefin vor dem Festakt am Samstag im Neuen Schloss.

 

Frau von Olschowski, vor 250 Jahren wurde die Stuttgarter Kunstakademie gegründet. Am Samstag feiert die Hochschule im Neuen Schloss offiziell Geburtstag. Wie bleibt man frisch in diesem stolzen Alter?

Man bleibt frisch, weil man immer wieder mit einer neuen Generation von Studierenden zu tun hat. Durch sie bleibt die Einrichtung im Geist der Zeit. Die Veränderungen, die es im Lauf der Geschichte gab, haben aber natürlich auch damit zu tun, dass der Begriff der Kunst immer wieder infrage gestellt wurde, dass die Kunstausbildung und -lehre sich immer wieder gewandelt haben. Diese Umbrüche haben sicher die stärkste Auswirkung auf unsere aktuelle Strahlkraft.

Nun ist die Stuttgarter Kunstakademie weder die älteste, noch die größte hierzulande. Wie schafft sie es, sich im Kontext der deutschen Kunsthochschulen zu positionieren?

Die Kunsthochschulen in Deutschland stehen in einem Wettbewerb, keine Frage. Stuttgart hat es in diesem Wettbewerb nicht ganz leicht. Das liegt nicht zuletzt am Standort. Andere Städte sind für Künstler attraktiver.

Aufgrund ihrer vielfältigen, dynamischen Galerienszene?

Die hiesige Galerienszene ist ja nicht schlecht, eher aufgrund des Angebots an Ateliers, an Wohnungen, also der Möglichkeiten für junge Künstler, bezahlbare Räume zu mieten. Stuttgart ist nun mal eine teure Stadt, bietet aber andererseits für Künstler nicht die große internationale Szene. Im Moment ändert sich das übrigens. Ich sehe darin eine Chance für uns. Die Stadt ist im Umbruch, ich habe das Gefühl, dass sich in den letzten Jahren durch die verschiedenen Subkultur-Eingriffe, die temporären Ausstellungsräume, die Club- und Musikszene, durch das ganze Umfeld Nordbahnhof viel bewegt hat. Auch durch die kreative Protestbewegung in der Stadt, jedenfalls die friedliche, ist - egal wie man inhaltlich dazu steht - eine für Künstler reizvolle Spannung entstanden.

Die Frage lautet aber nicht nur, wie man Studenten herkriegt, sondern auch wie man Professoren hierherbekommt.

Wodurch man sich als Hochschule auszeichnet, sind die Qualität der Absolventen und die großen Professorennamen. Bei den Namen sind Standorte wie Düsseldorf, Berlin und Hamburg auf den ersten Blick attraktiver. Allerdings führt das Markenzeichen der Stuttgarter Akademie - ihre Größe und die Vielfalt der Fächer, also der angewandten und der freien Fächer, der Kunst, der Architektur, des Designs, der Restaurierung, der Wissenschaften - dazu, dass wir nicht nur ein Profil entwickeln müssen, sondern fünf verschiedene. Das wiederum zu einer Einheit zusammenzuführen ist die Aufgabe, die sich stellt, aber es ist auch die Qualität des Hauses.

Wie gelingt diese Quadratur des Kreises?

Ich glaube, dass gerade dieses Jubiläum eine Chance ist, die verschiedenen Interessenfelder wieder stärker zusammenzubinden. Und es öffnet uns die Augen für Themen, die über alle Fachbereiche hinweg auffallen. Die wollen wir in Zukunft verstärkt aufgreifen.

"Studiengebühren sind ein ambivalentes Thema"

Was für Themen sind das?

Es zeigt sich, dass die Studienanfänger mit einer schlechteren Vorbildung kommen als in früheren Jahren. Das hat sicher mit der verkürzten Schulzeit zu tun, aber auch damit, dass der Kunstunterricht an fast allen Schulen reduziert wurde. Deswegen denken wir darüber nach, ein gemeinschaftliches Einstiegssemester für alle Studierenden anzubieten, im Sinne eines Studium generale, um einen gemeinsamen Level zu erreichen, auf dem man aufbauen kann. Ähnliche Überlegungen betreffen das Ende des Studiums. Spezialisierungen werden in den künstlerischen Berufen immer wichtiger. Darum überlegen wir, was nach Abschluss des Diploms, des Masters oder des Staatsexamens als Aufbaustudiengang möglich sein könnte. An einem solchen könnten dann sowohl bildende Künstler als auch Designer als auch Architekten teilnehmen. Am Anfang und Ende des Studiums unser gesamtheitliches Potenzial zu aktivieren, das wäre eine Möglichkeit, uns auszuzeichnen.

Eine andere Besonderheit der Akademie sind die Werkstätten. Wie ausbaufähig ist dieser Zweig der Ausbildung?

Die Werkstätten sind tatsächlich ein ganz wesentlicher Teil und das Rückgrat der Akademie. Unsere Werkstattleiter sind anerkannte Künstler, hervorragende Kenner ihrer Materie, gerade in den technischeren Bereichen, und sie prägen die Entwicklung der Studierenden entscheidend mit. Das Spektrum reicht vom Buchdruck über eine Glas- und Keramikwerkstatt bis hin zur Schreinerei, zum Modellbau und zur Medien- und Computerwerkstatt. In den nächsten Jahren werden wir prüfen müssen, welche Kapazitäten welche Werkstätten noch haben, weil sich technisch vieles verändert hat in letzter Zeit.

Bekannt ist, dass die Restauratoren einen internationalen Ruf genießen, dass der Fachbereich aber enorme Platzprobleme hat. Wie geht die Akademie mit diesem Problem um?

Tatsächlich ist das unsere schwierigste Baustelle. Wir müssen dringendst eine Lösung finden, weil andere Hochschulen wie beispielsweise Dresden in den Bereich stark investiert haben und Bewerber sich natürlich genau über die verschiedenen Standorte informieren. Die ideale Lösung wäre ein Neubau auf dem Campus, der dann gleichzeitig auch Defizite in anderen Bereichen abfangen könnte und uns die Chance bieten würde, uns insgesamt besser aufzustellen.

Bis jetzt wurden in Baden-Württemberg und folglich auch an der Kunstakademie Studiengebühren erhoben. Die neue Regierung will diese nun abschaffen, was zunächst einmal Mindereinnahmen bedeutet. Dennoch haben Sie gesagt, dass Sie die Abschaffung nicht nur bedauern.

Die Studiengebühren sind ein ambivalentes Thema. Solange es keine bundeseinheitliche Regelung gibt, sind Gebühren aus meiner Sicht ein Wettbewerbsnachteil für die Länder, die sie haben - es sei denn, man macht für das Geld ein zusätzliches Angebot. Das können wir aber nicht, weil die Studiengebühren de facto die Unterfinanzierung der Hochschulen ausgeglichen haben. Staatliche Zuwendungen in gleicher Höhe würden allerdings nur ausreichen, den Status quo zu erhalten. Die Ausbildung ist durch die Umstellung auf Bachelor und Master aber an fast allen Hochschulen teurer geworden. Wir müssen mit den immergleichen Mitteln immer mehr leisten, doch diese Rechnung funktioniert nicht. Es wird sich für die neue Landesregierung genau an dieser Stelle entscheiden, worauf die Schwerpunkte gelegt werden und was ihr bessere Bildung wirklich bedeutet.

Stuttgart, das haben wir schon gehört, ist nicht gerade der Nabel der Kunstwelt. Wie integriert sich die Akademie in die Stadt?

Es gibt einen Austausch, die Akademie ist in der Stadt präsent und wird als Teil der kulturellen Szene wahrgenommen, aber das ist ein ausbaufähiges Feld. Wir wollen die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen intensivieren. Es gibt Gespräche mit Ulrike Groos im Kunstmuseum, es gibt ein neues Netzwerk mit der Merzakademie, dem Kunstverein und der Akademie Schloss Solitude. Mein Wunsch wäre, dass die Akademie in der Stadt mit einem festen Ausstellungsraum präsent ist, so dass wir die Vielfalt, die hier oben stattfindet, besser zeigen können. Für mich ist dieses Jubiläum die große Chance, die Tür zur Stadt weiter zu öffnen. Das zeigt sich auch am Programm: Sehr viele Institutionen in der Stadt machen für die Kunstakademie Veranstaltungen, auch die privaten Galerien. Das zeigt, dass es eine große Verbundenheit mit uns gibt.

Der Gründer der Kunstakademie, Herzog Carl Eugen, hat gesagt, ich gründe eine Akademie, weil es das Leben angenehmer und schöner macht, wenn man sich mit Künsten umgibt. Das war die feudale Sicht. Kann man diesen Gründungsimpuls auf die moderne Stadtgesellschaft übertragen?

Es macht das Leben in einer Stadt auf jeden Fall interessanter. Darum geht es ja letzten Endes. Wenn man bedenkt, wie viel gerade in Bewegung ist, welche Dynamik da ist, dann glaube ich wirklich, dass es gerade die Kunstakademie und die kreativen Ausbildungsstätten wie Merzakademie und Musikhochschule sind, die die jungen Leute hierherholen - junge Leute, die Interesse haben an Gestaltung, an Veränderung, an Innovation, das ist ein unglaubliches Potenzial. Das macht unter Garantie das Leben in dieser Stadt spannender und interessanter und für alle Bereiche in diesem Sinne auch angenehmer.