Vor genau 40 Jahren fuhr der letzte Personenzug auf der Strecke, die bald schon unter dem Projekttitel Hermann-Hesse-Bahn reaktiviert wird.

Um 18.53 Uhr war Schluss. Den 27. Mai des Jahres 1983 markierten sich damals nicht nur Eisenbahnfreunde dick und schwarz im Kalender: Im Kreis Böblingen und im Nachbarkreis Calw ging eine Epoche zu Ende. Auf der Bahnstrecke zwischen Weil der Stadt und Calw machte sich damals der letzte Zug auf den Weg, bei dem Fahrgäste mitfahren konnten. Dabei ist es bis heute geblieben.

 

Das Wetter zeigte sich – dem trüben Anlass entsprechend – mies. Am Bahnhof von Weil der Stadt sah man viele Regenschirme, als sich der letzte Personenzug Freitagabend kurz vor 19 Uhr auf den Weg in die Nachbarkreisstadt im Nagoldtal machte. Damit war die einst stolze Württembergische Schwarzwaldbahn, ursprünglich Teil des Streckennetzes zwischen Stuttgart und der Schweiz, zu einer Stichbahn bis Weil der Stadt degradiert. Die damalige Deutsche Bundesbahn machte keinerlei Aufhebens von dem Anlass. Aber Freunde der Bahnstrecke hatten den roten Dieseltriebwagen alias Schienenbus, der dort regulär verkehrte, schon Tage zuvor mit der kuriosen Aufschrift „32. Mai 1983“ versehen. „Schwerer Abschied nach 111 Jahren“ titelte damals die Leonberger Kreiszeitung. Auch landesweit flimmerte der rote Zug über die Bildschirme – zum Beispiel als Kurzbeitrag in der Landesschau.

Erst 1987 sperrte die Bahn die Strecke

Die übliche dreiteilige Zuggarnitur war bis zum Anschlag mit Menschen gefüllt. Überall, ob in Schafhausen oder Ostelsheim, verabschiedeten sich die Anwohner vom „Zügle“. In Althengstett war ein symbolischer Sarg bereitgestellt, in Calw-Heumaden verabschiedete Blasmusik die Fuhre. Als Fahrer des Zuges betätigte sich Lokomotivbetriebsinspektor Philipp Black vom Bundesbahn-Maschinenamt Heilbronn, der in Calw 1943 als Lokführer begonnen hatte und immer noch dort wohnte. Zwischen Weil der Stadt und Althengstett verkehrten weiter Güterzüge zur Bedienung der Firma Perrot und der Bundeswehr. Erst 1987 sperrte die Bundesbahn den Streckenabschnitt bis Calw, 1994 erwarb ihn der Kreis Calw.

Der Verkehr in die Bäderorte war politisch hochrangiger

Die Auflassung des „Reisezugverkehrs“, wie es amtlich hieß, folgte politischen Vorgaben: Die mit bahnfremden sozialpolitischen Auflagen überlastete Bundesbahn musste Einsparungserfolge nach Bonn melden. Der Rückzug aus der Daseinsvorsorge stieß auf dem flachen Land auf weniger Widerstand, daher wurde dort damit begonnen. Auf der Bahnstrecke im Nagoldtal nach Pforzheim und Horb war weniger los, aber der Verkehr in die Bäderorte war politisch hochrangiger als die Verbindung in die Landeshauptstadt. Steigende Einwohnerzahlen entlang der Bahnstrecke Richtung Stuttgart und der schon seit 1972 immer stärker diskutierte Umwelt- und Energieaspekt spielten bei den Entscheidungsträgern keine Rolle, da das Ergebnis relativ unabhängig von den konkreten Umständen vorgesehen war.

Nur einige Mitarbeiter des Calwer Eisenbahnvereins hatten seit 2002 verschiedentlich Gelegenheit, auf ihrem Bauzug das Stück zwischen Calw und Althengstett zu befahren. Seit 2021 läuft die Instandsetzung des Bahnteilstücks Weil der Stadt – Calw unter dem Projektnamen Hermann-Hesse-Bahn. Inzwischen nehmen in Renningen und Weil der Stadt die sanierten Gleise und neuen Bahnsteige sichtbare Formen an.

Der Autor ist im Vorstand der Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn, ausgewiesener Bahnfan und Kenner der Schwarzwaldbahn, über die er auch ein Buch geschrieben hat.