Traumhafter und witziger Sonntag: Im Rathaus schnappen die Narren ein OB-Double.

Leonberg - Sollte der Pferdemarktdienstag tatsächlich weitgehend den Nachwehen des Sturmtiefs Sabine zum Opfer fallen, so kann wenigstens festgehalten werden, dass der Sonntag ein grandioser Festtag war. Die Stadt war von Eltingen bis zum Marktplatz rappelvoll, die geöffneten Geschäfte gut besucht, der Rathaussturm der Gesellschaft Engelberg witzig. Das Protokoll eines besonderen Tages.

 

Rathaussturm

11.11 Uhr: Ein grimmiger Martin Georg Cohn schaut aus dem Fenster des Alten Rathauses: „Was treibt ihr hier für Unwesen, bei dem Krawall kann ich kaum Akten lesen“, kommentiert der Oberbürgermeister den Narrenaufmarsch. Der Marktplatz ist voll. Hunderte wollen bei strahlendem Wetter sehen, wie der OB sich diesmal dem Zugriff von Monika Raffler und ihren karnevalistischen Garden entziehen will.

Die Vorwürfe der Präsidentin der Gesellschaft Engelberg sind nicht neu: Das tägliche Verkehrschaos, zuviel Personal beim Bauhof, und, diese Verfehlung wiegt am schlimmsten, fließt aus den Hähnen des Marktbrunnens Wasser statt Bier. Genügend Gründe, so meint die Narren-Chefin, um den OB schnellstens abzusetzen und sich der Stadtkasse zu bemächtigen.

Doch die Rathausstürmer haben nicht mit der List des oberbürgermeisterlichen Feldmarschalls gerechnet: Timon Friedel stellt die Kindergarden mit Gummibärchen ruhig. Die Mädels der Prinzengarde sind ein anderes Kaliber: Hier müssen die Verteidiger vermeintliches Gold herablassen, um die jungen Damen abzulenken.

Doch als die Waldhexen mit dem Rammbock anrücken, da merkt Cohn, dass es eng werden könnte und greift auf seine Leibgarde zurück: Die Feuerwehr stellt von draußen eine Leiter auf. Doch bevor der Flüchtende runterkrabbeln kann, zerren ihn die mittlerweile oben angekommenen Waldhexen wieder rein.

Der Mann auf der Leiter heißt in Wirklichkeit Jens Schneider. Foto: factum
Die Schlacht scheint geschlagen. Als sich die närrischen Truppen schon auf Freibier freuen, ertönt plötzlich des Oberbürgermeisters triumphierende Stimme von der Bühne. Als Hexe verkleidet hat er sich aus dem Rathaus geschlichen. Derjenige, der von den Häschern von der Leiter geholt wurde, war nicht er, sondern ein Double: Der Warmbronner Ortsvorsteher Jens Schneider hatte sich Cohns edles Gewand angezogen und mit einer Amtskette aus goldenen Bonbons verziert. Aus der Ferne täuschend echt. Die allermeisten Zuschauer merken den Rollentausch nicht. Selbst die nie um einen Spruch verlegene Karnevalspräsidentin scheint baff.

Natürlich lässt sich der OB im Hexen-Häs nicht lumpen und lädt die närrischen Garden ins Alte Rathaus zu Speis und Trank ein, auch wenn kein Bier aus dem Marktbrunnen fließt. Das kommt dafür aus den zahlreichen Flaschen, die die Aktiven des Karnevalsvereins verkaufen, während Guggenmusiker von nah und fern Stimmung machen: laut und schön schräg.

Verkaufsoffener Sonntag

12.30 Uhr: Eigentlich hat Ziegler noch gar nicht geöffnet. Doch zahlreiche Kunden lassen sich im Fachgeschäft für Wohn- und Tischkultur für die Frühjahrsdeko inspirieren. Eine Etage tiefer, im Vinum, stärkt sich so mancher Marktplatzbesucher bei Weißwürsten oder mediterranen Leckereien für den Rest-Tag. Das erste Weinle schmeckt auch schon wieder.

Monika Schmidt geht es gut zwei Kilometer weiter südlich nicht besser. „Schon um 20 vor eins standen die Leute im Laden,“ erzählt die Senior-Chefin des Herrenausstatters Wibbel, während sie gerade ein Viertele Trollinger ausschenkt. Der Laden ist voll, und dass bei Wibbels das Catering sehr gut ist, hat sich längst herumgesprochen.

Foto: factum

Ähnliche Szenen in der ganzen Stadt. Ob in Eltingen, in der Stadtmitte oder am Marktplatz: Die Geschäfte sind voll. Guggenmusik ist nicht nur auf der Bühne vorm Alten Rathaus zu hören. Vor Blumen-Albert ist eine Combo aus dem Schwarzwald aufgezogen. Eine Nichte der Albert-Chefin Juliane Schuler macht hier mit. Und im Leo-Center sind die Querköpf aus Winnenden ein beliebtes weil buntes Fotomotiv.

Mit dem Riesenrad dem Himmel entgegen. Foto: factum
Vom Superwetter profitiert auch der Rummel in der Steinstraße. Hier ist am Nachmittag fast kein Durchkommen. Die Grillstände sind belagert, die Wahnsinnsgondeln des „Break-Dance“ bei jungen Leuten der Renner.

Krisenstab

15.30 Uhr: Was angesichts des blauen Himmels kaum vorstellbar ist: Das Sturmtief Sabine steht unmittelbar vor der Tür. Am Nachmittag setzt sich Oberbürgermeister mit dem Feuerwehrchef Wolfgang Zimmermann und anderen Vertretern der Hilfskräfte zusammen. Ergebnis der Beratungen: Am Festprogramm einschließlich des großen Umzugs am Dienstag wird festgehalten. Auch das Riesenrad auf dem Rummel ist TÜV-geprüft und sturmsicher. Doch die Leonberger beobachten die Wetterentwicklung rund um die Uhr. „Sollte es die Lage erfordern, können wir sofort handeln und Veranstaltungen beenden oder absagen“, versichert der städtische Pressesprecher Tom Kleinfeld.