Anfang der 1970er Jahre entstanden eine Reihe selbstorganisierter Jugendfarmen und Aktivspielplätze – wie der Abi West.

Mitten im Stuttgarter Westen liegt er verborgen hinter einer meterdicken Mauer an der Schwabstraße: „Der Abi West“, wie ihn alle nennen. Die grüne Oase mit Bäumen, Büschen, Holzhütten, einer Sporthalle und einem bunt bemalten Bauwagen befindet sich in der Nähe der Kreuzung Bebel-/Schwabstraße. Auf dem etwa 2000 Quadratmeter großen Gelände läuft gerade ein buntes Sommerferienprogramm. Überall sind Kinderstimmen zu hören. Manche tollen in der offenen Halle herum. Andere spielen Tischkicker im Gebäude mit der Küche, dem Tonstudio und den Werkstätten. Wieder andere malen oder basteln im Freien oder chillen abseits der Mittagssonne in den unter Bäumen schattig platzierten Hängematten. Hinten in einer Ecke des Geländes steht ein hölzerner Kletterturm, der wie ein kleiner Bergfried in die Höhe ragt. Der Abi West bietet viel Freiraum für Bewegung und Kreatives. Heranwachsende zwischen sechs und dreizehn Jahren können hier basteln, klettern, turnen, kochen, spielen, zimmern, schreinern, tonen und Musik machen.

 

Fortbestand stand auf der Kippe

In einigen Familien gehört der Besuch des Abi schon zur Tradition, die von Generation zu Generation weitergetragen wird. Kaum zu glauben, dass dieses Kinderparadies schon seit 50 Jahren existiert. Denn der Fortbestand des Abi West stand zeitweise auf ziemlich wackligen Beinen, weiß Jo Ungemach zu berichten. Der Pädagoge hat 38 Jahre lang auf dem Abi West gearbeitet und kennt dessen Geschichte. 2004 sah es beispielsweise für den Abi West gar nicht gut aus. Die alte Spielhalle auf dem Gelände war damals abgerissen worden, um Platz zu schaffen für das heutige Bürgerzentrum und einen neuen Discountermarkt auf dem Moltke-Areal.

Für den Bau der neuen Halle auf dem Abi-Gelände wollte die Stadt den Trägerverein anteilig mit 110 000 Euro zur Kasse bitten: Das wäre für die Mitglieder ein Ding der finanziellen Unmöglichkeit gewesen. „Damals ging es für den Abi um alles oder nichts“, sagt Ungemach, der mit 72 Jahren schon seit sechs Jahren im Ruhestand ist. Am Ende lenkte die Stadt ein. Auch der damalige OB Wolfgang Schuster war in Erklärungsnot geraten: Er hatte kurz zuvor den Slogan ausgegeben, er wolle Stuttgart zur kinderfreundlichsten Stadt Deutschlands machen.

Bürgerinitiative besetzte das Gelände

Entstanden ist das Spielparadies an der Schwabstraße übrigens durch eine politische Aktion: „Damals waren viele Jusos in der Bürgerinitiative ‚Platz für Kinder e. V.‘“, berichtet Ungemach. „Sie besetzten das Gelände auf einem früheren Kasernenareal und erklärten es zur Spielfläche“, sagt der Pädagoge. Im Nu stellten die Mitglieder der Initiative eine Baracke, die eigentlich für Wahlkampfzwecke gebaut worden, auf das besetzte Gelände. Schon war der Abi-Anfang gemacht. Die Stadt sei damals in der Bredouille gewesen. Einerseits habe es eine enorme Unterversorgung an Spielflächen im Stuttgarter Westen gegeben. Andererseits hatte der Bund als ursprünglicher Eigentümer des Kasernengeländes damals das Areal an die Stadt übergeben – mit der Maßgabe, die Fläche mindestens für zehn Jahre für soziale Zwecke nutzen zu müssen. So kam es, dass die Stadt die Aktion der Bürgerinitiative duldete und sie beim Aufbau des Abi West gewähren ließ.

Termin Der Abi West an der Schwabstraße 97 feiert anlässlich seines 50-jährigen Bestehens am Samstag, 24. September, von 13 bis 18 Uhr sein Geburtstagsfest. Es wird eine Kindertombola geben, das Spielmobil Mobifant ist vor Ort und „Gruselgewusel“ sorgt für Unterhaltung.