Michelle Hunziker glaubt, in Stuttgart zu sein. Doch sie feiert in Metzingen. Seit 50 Jahren pilgern luxushungrige Schnäppchenjäger an den Fuß der Schwäbischen Alb. Auf Spurensuche bei einer Promi-Party mit vielen Stuttgartern im Phänomen Outlet.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Abseits vom Mainstream fühlt sich der Metzgerssohn Winni Klenk, der sich von Second-Hand-Mode seit 1982 auf dem Flohmarkt zum Promi-Liebling in Stuttgart hochgearbeitet hat, am wohlsten. Auf dem Kleinen Schlossplatz hat er sein Reich mit Designerware immer weiter ausgebaut und verfeinert. Seine Boutique heißt nicht ohne Grund Abseits. Denn fernab des Üblichen will er seine Kunden anstecken mit Mode-Raffinesse.

 

Abseits der Metropolen liegt Metzingen, eine 22 000-Einwohner-Stadt im Biosphärengebiet. Winni Klenk unternimmt an diesem Abend mit Gleichgesinnten aus Stuttgart eine Landpartie, hat die Entfernung laut Routenplan von 33,85 Kilometer zurückgelegt, um einerseits mit Promis wie Michelle Hunziker und Frauke Ludowig in der neuen Champagnerbar Bollicine zu feiern und um sich andererseits außerbetrieblich fortzubilden. Wie machen es die anderen im stationären Handel, damit die Online-Konkurrenz nicht noch mehr Marktanteile erobert?

Die Kundschaft aus Russland und China bleibt aus

Die Outlet City, vor 50 Jahren von Uwe und Jochen Holy, den Enkeln des Modepioniers Hugo Boss, in einer Lagerhalle begründet, war im Lockdown zur Geisterstadt geworden und erzielt nun als „größtes Outlet in Europa“ (Verkaufsfläche: 45 000 Quadratmeter) Umsatzerfolge, auch wenn die Kundschaft aus Russland (wegen des Krieges) und aus China (wegen Corona) wegfällt.

Was haben die, was der Stuttgarter Modehandel nicht hat? Punkt eins: mehr Parkplätze an Ort und Stelle! Die Nachfolger der Holy-Brüder, die mit Blick auf die Alb eine Marke mit Weltruhm schufen, profitieren vom Sonderangebote-Image, schicken ein Heer an Influencern durch ihr Retortendorf, inszenieren für Medien Events, holen Promis, wie an diesem Abend das fernseherfahrene Beauty-Gespann Ludowig/Hunziker.

„Wir brauchen in Stuttgart mehr tolle Veranstaltungen, die Menschen anlocken“, sagt Winni Klenk, „und sollten für Autofahrer besser erreichbar sein.“ Dennoch ist ihm nach dem Rundgang durch die uniformiert gebaute City nicht bange. Mehr Individualität und Innovationen kleinerer Läden fänden sich in der Landeshauptstadt.

Der rote Teppich ist von Schwarz dominiert

Wer bei den Influencern in Metzingen an diesem Abend doppelt sieht, sieht richtig. Die Zwillinge Luka und Tarkan Cidic, als Boss-Model Twins international unterwegs, feiern mit – ganz in Schwarz, in der „Farbe“ der Saison. Der Red Carpet ist von Black dominiert. Die aus Köln im Zug angereiste Frauke Ludowig, die seit 1994 bei RTL „Exclusiv – das Starmagazin“ moderiert, hält mit Mintgrün dagegen.

Mit ihrer makel- und faltenlosen Erscheinung sieht sie nicht aus wie eine Frau von 59 Jahren. Ist es viel Arbeit und Stress, immer schön zu sein? Die Frage des Stuttgarter Journalisten nimmt Ludowig als Kompliment entgegen und lächelt über eine Antwort, was sie denn alles hat „machen lassen“, mit Charme hinweg. Hinter ihrem Rücken wird beim Tuscheln und Spotten, einer beliebten Partydisziplin, über ihre Beauty-Eingriffe spekuliert. Ohne die würde sie womöglich hinter die Kamera versetzt. Wer will das schon?

Michelle Hunziker rühmt „La Familia“ – sie wird Großmutter

Mit der aus Mailand herbeigeflogenen Michelle Hunziker ist sich Frauke Ludowig einig, dass man gerade in dieser harten Zeit „schöne Momente“ wie diese braucht. Darauf einen Champagner! Die schweizerisch-italienische Moderatorin stimmt ein Loblied auf „La Dolce Vita“ an, das gerade „bei euch in Stuttgart“ so schön sei. Metzingen ist für sie natürlich Stuttgart. Sie rühmt außerdem „La Familia“, weshalb Michelle Hunziker die erste ist, die an diesem Arbeit nach Hause aufbricht – via Stuttgarter Flughafen. Die 45-Jährige wird 2023 Großmutter und mag es nicht, in Hotels zu übernachten. Einen fünfstelligen Betrag, wird gemunkelt, hat sie für ihren Auftritt in der Outlet City bekommen. Einmal, berichtet Promi-Fotograf Christof Sage, sei sie nach „Wetten, dass...?“ mit dem Taxi für 1800 Euro nach Italien gefahren, um schnell bei den Lieben daheim zu sein.

Vor dem Rückflug kauft sie sich noch eine Hose

Außerdem dabei: Anahita Rehbein, die Miss Germany 2018, Künstler Romulo Kurányi (er stellt bald in der Galerie Z im Stuttgarter Dorotheen-Quartier aus), die Ex-VfB-Profis Alexander Farnerud, Angelo Vaccaro, Bloggerin Leonie Hanne, laut „Cosmopolitan“ die „wichtigste Fashion-Influencerin Deutschlands“, der frühere GQ-Chefredaktuer Tom Junkersdorf, der Stuttgarter Andrea Portale, der es als erster offen schwule Kandidat bei der GQ-Wahl zum „Gentleman des Jahres“ aufs Siegertreppchen geschafft hat, und viele andere schöne Menschen.

Vor ihrem Rückflug kauft sich Michelle Hunziker noch eine Hose. Die Party, deren Attraktion sie ist, ist ein Plädoyer dafür, selbst in Läden zu gehen, alles anzufassen, ohne massenhafte Online-Retouren, die oft auf dem Müll landen – ein Plädoyer, das Leben trotz allem zu genießen.